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Zitierkartell

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Der Begriff Zitierkartell (Kofferwort aus dem substantivierten Verb zitieren[wikt] und dem Begriff Kartell[wp] im Sinne von Zusammenschluss von Gleichgesinnten) bezeichnet eine Praxis, wobei Wissenschaftlern und Publizisten in gegenseitigem Einvernehmen einander aus den Publikationen des jeweils anderen zitieren, um sich dadurch gegenseitig mehr Anschein von Reputation und Seriosität zu verschaffen.

Hintergrund

Die als Zitierzirkel charakterisierbaren informellen Gruppen sich gegenseitig zitierender Autoren stellen vor allem innerhalb des feministischen und genderistischen Sektors des Verlagswesens den Regelfall dar. Die öffentliche Wirkungs­potenz des Feminismus und Genderismus basiert weit überwiegend auf dem gegen­seitigen Zitieren und Abschreiben ihrer publizistisch tätigen Vertreter.[1]

Das Problem ist in der Zitationsanalyse[wp] bekannt.

Für die Bewertung der Bedeutung einer wissenschaftlichen Arbeit kommen als bibliometrische Parameter verschiedene Indikatoren zum Einsatz, die meistens mit Hilfe von statistischen Methoden errechnet werden, wobei bestimmte Annahmen bezüglich des Zitier­verhaltens von Autoren gemacht werden:

  • Im Allgemeinen gilt eine wissenschaftliche Arbeit als einflussreich, wenn sie von anderen Autoren oft zitiert wird. Als Indikator verwendet man hier den Zitations­wert, der Zitations­häufig­keiten in Relation zur Gesamtzahl der zitierten Beiträge setzt, wobei auch seine zeitliche Entwicklung berücksicht werden kann.
  • Unterstellt man eine Beziehung zwischen mehreren Arbeiten, die gemeinsam zitiert werden oder gemeinsam eine andere zitieren, so kann man mit Hilfe der Clusteranalyse[wp] Gruppen von Autoren und/oder Publikationen bilden, die sich möglicherweise mit einem Teilgebiet der Wissenschaft beschäftigen.
  • Falls die Möglichkeit der inhaltlichen Auswertung von Publikation besteht, dann stellt die Korrespondenzanalyse[wp] ein geeignetes Werkzeug für die Erstellung von Wissenschafts­land­karten dar.[2]

Wegen der Annahme, dass qualitativ hochwertige, wissenschaftliche Werke häufiger zitiert werden, wird die Anzahl der Zitationen, die ein wissenschaftlicher Beitrag erfährt, oft als Maß für seine Qualität verwendet. Diese gängige Praxis ist jedoch nicht unproblematisch, da manchmal die inhaltliche Bewertung vernachlässigt zu werden droht und rein statistische Kriterien den Ausschlag geben. Die Tatsache, dass ein bestimmter Autor oft zitiert wird, kann unterschiedlichste Gründe haben und erlaubt nicht in jedem Fall eine Aussage über die Güte seines Beitrags.[2]

Durch den Matthäus-Effekt[wp] werden häufig zitierte Arbeiten ohne Inaugen­scheinnahme ihres Inhalts selbst ihrerseits häufiger zitiert. Eine Studie von M. V. Simikin und V. P. Roychowdhury deutet darauf hin, dass nur rund ein Viertel der zitierten Arbeiten von den Autoren überhaupt gelesen werden.[2]

Zitat: «Wenn der Matthäus-Effekt durch gegenseitige Gefälligkeits­zitate mehrerer Autoren herbeigeführt oder verstärkt wird, spricht man von einem "Zitierkartell".»[3]

Dieses Verhalten muss noch nicht einmal auf eine bewusste Absprache zurück­zu­führen sein, sondern es entspringt der verbreiteten Gepflogenheit, auf diejenigen Autoren Bezug zu nehmen, die der gleichen Ansicht wie man selbst sind. Für den Leser hat dieses Zitier­verhalten den Vorteil, dass er sehr schnell einschätzen kann, in welchem weltanschaulich-politischen Kontext sich der Autor bewegt.

Gesellschaftliche Wahrnehmung

Zitat: «Man braucht politischen Kampfgeist. (...) Ein Zitierkartell ist eine Ansammlung von Menschen mit solchem Kampfgeist. Sie haben sich erkannt, und sie gehen nun durch Dick und Dünn, egal, welche Zeichen die Wirklichkeit sendet, die wird zurecht­gebogen. Intellektuelle in einem Zitierkartell sind grund­traurige Menschen, die grund­traurige Menschen gefunden und deren Telefon­nummern notiert haben, mit denen sie nun öffentlich das grund­traurige Spiel spielen, in Erinnerung an etwas einmal für wahr Befundenes sich gegenseitig zum Kopfnicken zu stimulieren. Und es klappt!» - Bodo Morshäuser[4]
Zitat: «Heute wird nicht aus methodischer Korrektheit zitiert, sondern um einen Popanz der Belesenheit, des Günstlingtums, der Gefälligkeits­zitate, der intellektuellen Kriecherei vor markt­tauglichen Aktualitäts­fetischen.»[5]

Hadmut Danisch legt anlässlich eines Falles aus dem Jahre 2011 in seinem Weblog "Forschungs­mafia. Titel­handel. Forschungs­betrug. Wissenschafts­korruption. Hochschul­kriminalität" unter dem Titel "Kriminelle Zitier­praktiken deutscher Professoren" den Standpunkt dar, dass nämlich "viele Professoren (und die sie nachahmenden Nachwuchs­wissen­schaftler) Zitierungen nicht als Quellenangabe im urheber­rechtlich-wissen­schaft­lichen Sinn verstehen, sondern als Würdigung und Bekenntnis zu bestimmten Personen, und natürlich als wertvolles Tauschobjekt in den Zitier­kartellen.

Zitierungen gelten in der Wissenschaft nicht als selbstverständliche Pflicht­übung, sondern als Mittel der Selbst- und Fremd­darstellung. Zitiert zu werden ist ungemein wichtig, weil aus der Art und Menge der Zitate über die Zitier­metriken der 'Wert' eines Wissenschaftlers bestimmt wird. Man muss zitieren, um zitiert zu werden, womit man folglich seinem eigenen Ansehen in der wissenschaftlichen Welt schadet, wenn man Bekannte und Kollegen nicht zitiert. Zitate dienen nicht der wissen­schaftlichen oder urheber­rechtlichen Korrektheit und Sorgfalt, sondern stellen realiter mehr so etwas wie eine grafische Abbildung desjenigen sozialen Beziehungs­geflechtes dar, in welchem man interagiert. Die Zitiermetrik stellt innerhalb der primär auf papiernen Publikationen basierenden, wissenschaftlichen Netzwerken das Äquivalent zur Zahl der Interaktionen innerhalb der elektronisch dokumentierten Freundes- und Follower-Beziehungen von digitalen sozialen Netz­werken[wp] wie Facebook, Xing, Twitter dar.

Deshalb ist es auch eine gängige Praxis, dass Professoren ein wissenschaftliches Werk, etwa ein Buch oder eine Dissertation, vorrangig nach dem Kriterium der Zusammensetzung des Quellen­verzeichnisses und nicht dessen Inhalt nach dem Kriterium der faktuellen Richtigkeit beurteilen. Die Rezession einer wissenschaftlichen Veröffentlichung durch einzelne Wissenschaftler oder wissenschaftliche Institutionen erfolgt nämlich realiter gar nicht auf Basis einer sorgfältigen Lektüre, sondern anhand der aus dem Quellen­verzeichnis hervorgehenden Zugehörigkeit von dessen Autor zu einer bestimmten wissenschaftlichen Lehr- oder Forschungs­richtung bzw. Schule. Diese Vorgehensweise stellt keine nach wissenschaftlichen Kriterien erfolgende Beurteilung der Leistung eines Forschers dar, sondern basiert auf einem archaischen Mechanismus der Identifikation von Gleichgesinnten, vergleichbar mit der Identifikation eines Menschen durch Angehörige eines Volksstammes anhand dessen tätowierten Stammes­zeichen als Stammesmitglied oder Fremden.

In manchen wissenschaftlichen Fächern ist es üblich, dass die echten Quellen­angaben in Form von Fußnoten angegeben werden, damit jeder Kollege bei der Durchsicht des Werkes erkennt, welcher Quelle die Begründung eines Standpunktes entnommen wurde, während die Würdigungs­zitate in einem Anhang als Quellen­verzeichnis aufgelistet werden, damit für jeden Kollegen die Zugehörigkeit eines Autors zu einer bestimmten Lehr- oder Forschungs­richtung sofort ersichtlich ist, und ob derselbe die sozialen Huldigungs­rituale richtig beherrscht. Die korrekte Beherrschung der letzteren ist die unabdingbare Voraussetzung für die Karriere in der institutionalisierten Wissenschaft, weil jeder zukünftige Vorgesetzte eines Studenten, der durch die Erbringung einer wissenschaftlichen Leistung einen akademischen Titel erworben hat, Wert darauf legt, dass zukünftige Angestellte das Huldigungs­ritual korrekt ausführen können, um das eigene Ansehen im wissenschaftlichen Betrieb durch weitere Zitate aus den eigenen Werken durch einen neuen Untergegebenen in dessen Publikationen vergrößern zu können.

Das Huldigungsritual führt zwangsläufig zu unerwünschten Effekten, weil es falsche Zitate oder falsche Quellen­angaben gibt, bei welchen es sich, um Zitate aus Quellen handelt, die keinen thematischen Bezug zum Werk besitzen, Zitate, die nicht aus der jeweils angegebenen Quelle stammen oder in Wirklichkeit einen anderen Urheber haben. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig, weil Autoren von Publikationen durch mehrere Seiten umfassende Quellen­angaben den Eindruck vermitteln wollen, als sei gründlich und zeitintensiv gearbeitet worden, obwohl die als Quellen angegebenen wissen­schaftlichen Werke, weder gelesen wurden noch irgendeinen sachlichen Bezug zur Publikation selbst besitzen. In vielen Fällen werden die Quellen­verzeichnisse aus den als Quellen verwendeten Werken übernommen. Es gibt ebenfalls die so genannten Gefälligkeits­zitate, die darauf abzielen, dem zitierten Autor durch das Zitieren Zitier­häufigkeiten und damit einhergehend zusätzliche Reputation zu verschaffen. Ein Wissenschaftler kann jedoch ebenfalls ein weitgehend unbekanntes Buch zitieren, an welchem er aus persönlichen oder weltanschaulichen Motiven Gefallen findet, einzig zu dem Zweck dasselbe zu bewerben, oder um falsche Urheberschaften zu fingieren, um damit gegenüber der wissenschaftlichen Fachwelt eine größere Reputation der eigenen Person oder eines zitierten Autors zu suggerieren. Ein weiteres, vor allem im deutsch­sprachigen Raum anzutreffendes, Phänomen sind die so genannten fehlenden Zitate, wobei es sich um die schriftlich geäußerte Position eines Kritikers einer einzelnen wissenschaftlichen Veröffentlichung oder der institutionalisierten Wissenschaft als solcher handelt, welche nicht direkt zitiert wird, weil ihr die Wissenschaftlichkeit abgesprochen wird und wegen des quasi-pathologischen Bedürfnisses nach ideologischer Reinlichkeit Quellen missliebiger Autoren nicht ins Quellen­verzeichnis eigener Publikationen aufzunehmen. Die Aus­einander­setzung mit Positionen von als unwissenschaftlich eingestuften Kritikern, insbesondere solchen ohne akademischen Titel, erfolgt im Regelfall nicht argumentativ auf der Sachebene, sondern durch persönliche Schmähung und Herabsetzung.

In der institutionalisierten Wissenschaft wird die Qualität der wissenschaftlichen Tätigkeit nicht durch objektive Urteilskraft, Überzeugungs­kraft von Argumentation oder fachlichen Disput, sondern durch die Zitier­häufigkeit von wissenschaftlichen Publikationen, unabhängig von der faktuellen Richtigkeit von deren Inhalten definiert."[6][7]

Zitat: «Promovieren hat überhaupt nichts mit Forschen oder selbständigem Arbeiten zu tun. Es ist eine Pflicht­übung, die richtigen Leute anzubeten (oder umgangs­sprachlich gesagt, ein Vorturnen darin, den richtigen Leuten möglichst schön, tief und ausgiebig in den A... zu kriechen).»[6]
Zitat: «Es werden also Gefälligkeits­zitate gefordert in dem Stil, in dem Professoren auch Gefälligkeits­gutachten ausstellen.»[6]
Zitat: «Schafft man es, durch die äußere Schale, durch die Fassade aus Gefälligkeiten, Schweigen, Zitier- und Lob­kartellen, genannt "Reputation", aus vorgeblich hoher Wissen­schaftlich­keit, aus universitärem Gehabe und aus ritualisiertem Kasten- und Corps-Denken, diesem ganzen Würden-, Titel- und Hierarchie­gebrabbel zu dringen, stößt man auf einen grenzenlosen Filz aus Inkompetenz, Korruption, Wissen­schafts­betrug, Gefälligkeits­gutachten, Vettern­wirtschaft, Ämter­patronage, Titelhandel und Schmier­geld­geschäften.»[8]

Einzelnachweise

Querverweise

Netzverweise

  • Wikipedia: Zitationsanalyse
  • Wikipedia: Begriffsbesetzung
  • Pdf-icon-extern.svg Dokumentation Adele und die Fledermaus - Über den Wissenschaftssumpf, Schwindel, Korruption und Quacksalberei in der Krypto- und Sicherheitsforschung und das Promovieren an der "Exzellenz-Universität" Karlsruhe[ext] - Hadmut Danisch, Version 0.14 (2. November 2008) (797 Seiten)