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"Creeper Move"-Karten

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Hauptseite » "Creeper Move"-Karten
Belästigung!
Grenzüberschreitung!
Danke!

Die "Creeper Move"-Karten sind rote und gelbe Pappkarten, die dazu bestimmt sind, an Menschen bei Geek-Veranstaltungen verteilt zu werden, die andere belästigen oder anderweitig gruselig (creepy[ext]) sind. Sie sind im Stil von roten[wp] und gelben Karten[wp] im Vereinsfußball (Disziplinar- und Verwarn­karten) gehalten, zusammen mit grünen Karten, um jemandem für sein Zivil­verhalten zu danken.

Text auf den Karten

Der Text der Karten ist unter der Creative Commons Zero Lizenz[wp] lizenziert. Du darfst deine eigenen kopieren, ändern, übersetzen oder drucken. Eine Druckerei hat einen Rabatt auf die Druckkosten für die Karten angeboten.

Rote Karte

Belästigung!
Du hast die Person, von der du diese Karte bekommen hast, belästigt oder dich ihr gegenüber anderweitig grob unangemessen verhalten. Du solltest froh sein, dass du nur diese Karte und keinen Schlag ins Gesicht bekommen hast. Reiß dich zusammen und denk drüber nach - beim nächsten Mal könntest du weniger Glück haben.
Die rote Karte ist das deutlichste Zeichen, dass hier Grenzen überschritten wurden. Wer sie erhält, hat jemanden klar und gegen dessen Willen belästigt.[1]

Gelbe Karte

Grenzüberschreitung!
Du hast diese Karte bekommen, weil du dich gegenüber der Person, die sie dir gegeben hat, unangemessen verhalten hast. Du magst es gut gemeint haben, aber achte bei zukünftigen Begegnungen darauf, dich anderen gegenüber respektvoll und bedächtig zu verhalten.
Die gelbe Karte kann als Warnung verstanden werden, hier nicht weiter zu machen. Das Verhalten desjenigen, der sie erhalten hat war unangemessen und er sollte es überdenken.[1]

Grüne Karte

Danke!
Die Person, die dir diese Karte gegeben hat, hat dich als solidarisch oder anti-sexistisch wahrgenommen, oder für andere einstehen sehen. Weiter so!
Die grüne Karte kann als Dank genutzt werden, etwa um solidarisches Verhalten Dritter zu würdigen, die sich unterstützend eingemischt haben.[1]

Vorgängerversionen

  • Creeper Move cards/DEFCON 2012 text[ext]

Geschichte

Die "Creeper Move"-Karten wurden im Juli 2012 von KC Crowell erstellt. Sie wurden ursprünglich für das DEFCON[ext]-Event entwickelt, wurden aber ebenfalls bei anderen Hacker-Events benutzt.

2012 wurden sie ins Deutsche übersetzt.

Vorkommnisse

  • Eine Version der "Creeper Move"-Karten wurde als Teil des antifeministischen Backlashes während der Chaos Communications Congress 29-Vorfälle[ext] verwendet

Kritik

Zitat: «Wo kommen diese Creeper-Cards eigentlich her? Aus den USA. Dort herrscht eine völlig andere Hacker-Konferenz-Kultur. Auf der Defcon liefen vor ein paar Jahren Porno-Modelle halb­bekleidet herum und machten Werbung für diese Porno-Produktion, bei der ein Model die nmap-Homepage vorliest. Da gibt es auch eine ganz andere Prüderie und ein höheres Alterslimit für Alkohol, was sich dann auf Konferenzen so niederschlägt, dass hormonell unbalancierte Jugendliche zum ersten Mal Alkohol trinken und mit weiblichen Brüsten konfrontiert werden und dann enthemmt Frauen angraben. Die Leute, die diese Karten nach Deutschland geholt haben, kennen vermutlich weder die Defcon noch den Kongress. Die Defcon findet übrigens in Las Vegas statt, d.h. das Ambiente dort sind Spielhöllen, Showgirls und Stripper.

Die Lautesten unter den Empörten waren auch diesmal nicht vor Ort, sondern empörten sich aus der Ferne. Einige kamen beim Kongress direkt mit einer Haltung wie "respektiert mich endlich auch mal und hört mit dem Grapschen auf" an, und wunderten sich dann über das Unverständnis derjenigen, die seit Jahren da sind und noch nie von Grapsch­problemen gehört haben und bei denen man sich Respekt erarbeitet und nicht einfach nur einfordert.

Zusammenfassung: Probleme löst man, indem man über sie redet. Nicht indem man andere Leute öffentlich an den Pranger stellt. Die Creeper-Karten haben so viel Schaden angerichtet, dass selbst wenn jemand noch einen positiven Aspekt nachweisen kann, netto nur Verlust übrigbleibt. Das war alles vorher schon absehbar. Es ist eine Schande, dass Einzelne das Kaputtmachen einer so schönen Sache wie des Kongresses billigend in Kauf nahmen, und dabei noch als Kollateral­schaden ihr vorgebliches Anliegen der Sexismus­bekämpfung generell beschädigen. Ich hoffe sehr, dass da jetzt alle was draus gelernt haben.» - Fefe[wp][2]

Aus feministischen Kreisen wollte man für den Hackercongress 29c3 etwas gegen Sexismus tun und organisierte eine Pledgebank[ext], über die Karten finanziert wurden, die dann auf dem Kongress verteilt werden sollten. [...]

Die Karten sollten Opfern eine Möglichkeit geben, sich schnell und ohne viel zu sagen gegen Belästiger zu Wehr zu setzen, indem diesen die entsprechenden Karten übergeben werden. Dieser sollte die Karte akzeptieren, seine Fehler einsehen und so gebessert werden und sein belästigendes Verhalten abstellen. Nach der Standpunkt-Theorie war eine Diskussion nicht gewollt, bereits das Überreichen der Karten reicht aus, um die subjektive Belästigung nachzuweisen und das Überreichen der Karten zu rechtfertigen. [...]

Ursprünglich war wohl geplant, dass die Karten für ernste Verstöße verteilt werden, rote Karten insbesondere sollten erheblichen Belästigungen vorbehalten bleiben. Aber da der Begriff der erheblichen Belästigungen gerade in feministischen Kreisen ein sehr vages Konzept ist und alle Belästigungen schwerwiegend sein können, wurden wohl schnell auch für Kleinigkeiten Karten verteilt, was zu entsprechenden Abwehr­reaktionen führte und dazu, dass man die Karten nicht mehr ernst nahm und versuchte, aus deren Erlangung ein Spiel zu machen.

Die Auswirkungen werden hier auch gut beschrieben:

Zitat: «Hier wird großes Potential verspielt. Ich bin tief davon überzeugt, dass sehr viele Empfänger dieser roten/gelben Karten irritiert sind und eine konstruktive Antwort möchten. Wenn man diese ihnen verweigert ist es sehr frustrierend und verwirrend für den "Schuldigen". Wie sollen sie sich verhalten? Sie können nichts mehr tun und ziehen es dann eben ins Lächerliche, weil sie es nicht nach­voll­ziehen können.

Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass die Leute, die sich über den Spielleiter aufregen, sich nicht verbal äußern können. Sie haben alle bei der Übergabe der Karten den Grund aufgeführt. Sie haben darüber getwittert und gebloggt. Ich verstehe nicht warum man dazu noch eine Karte dann braucht... Im Sinne der Erfinderin ist es nicht.» - Neu-Berlinerin[3]

Auch hier wird ein Problem dieser Karten gut beschrieben:

Zitat: «Die Parodien und Aktionen auf die Creeper Card zeigen deutlich, dass die Straf­zettel­mentalität hinter ihnen nicht funktioniert. Um die Creeper Card zu akzeptieren, ist bereits "Awareness"[wp] erforderlich. Wenn Awareness aber zur Akzeptanz der Creeper-Card führt, dann brauchten rote Karten gar nicht mehr ausgegeben werden. Außerdem führte die Creeper Card bereits zu Formen ihres Missbrauchs, wie ich eingangs schon angedeutet habe: sie wird von einigen "awaren" Menschen als Mittel der Ausgrenzung verwendet, um andere "aware" Menschen vor dem Empfänger zu warnen, obwohl der Empfänger vielleicht nur unsympathisch war oder eine Vorgeschichte mit dem Heraus­geber hat - die Card hat also nichts mit einem aktuellen Ereignis zu tun. (Das Konzept der Rehabilitation[wp] ist nach meiner Erfahrung für viele "aware" Menschen schwerer zu verstehen als das der Unperson[wp]. Gelöschte Personen-Dateien verschwenden eben keinen Speicherplatz mehr im Hirn.)» - Herzblut[4]

Man kann eben über solche Aktionen in der Tat gut ausgrenzen und sich selbst zu einem besseren Menschen im Kampf gegen den Sexismus stilisieren. Das Konzept des Mißbrauchs der Definitions­macht[ext] wird ja leider von den Vertretern in der Regel bereits aus ideologischen Gründen ausgeschlossen.

Fefe[wp] zu den Karten:

Zitat: «Unter dem Strich stellte sich bei Einigen die Befürchtung ein, dass es bei diesen Karten gar nicht darum geht, irgendein tatsächlich vorhandenes oder eingebildetes Sexismus- oder Übergriffs­problem zu lösen, sondern es nur um das Kaputtmachen des Kongresses geht. Es gab da im Vorfeld einige Tweets und Blog­kommentare im Umfeld der Klotür-Geschichte, die sich so deuten ließen. Auf der anderen Seite soll man niemandem bösen Willen unterstellen, nur weil das Ergebnis ihrer Bemühungen negativ ist und sie ihren Kurs nicht korrigieren. Daher gab es Gespräche zwischen A-Team und der Flauscheria und (soweit bekannt) den Mitbringern der Creepercards, die am Ende in einer "Policccy"-Gesprächs­runde mündeten. Das Ergebnis war ernüchternd. Die Creepercard-Verantwortlichen schoben das Versagen der Karten der Congress-Orga in die Schuhe. Einige der üblichen Verdächtigen kamen gar nicht erst zu dem Treffen. Das hat die Fronten eher verhärtet, auf Clubseite fallen jetzt vereinzelt Wörter wie "Agitation", und es stellt sich das Gefühl ein, dass hier jemand angereist ist, um Vorwände für Empörung zu suchen, und wenn kein Problem da ist, dann konstruiert man halt eines, indem man zu einer Gameshow spät in der Nacht geht und dort die flapsige Moderation anprangert. Das fühlt sich alles an wie ein Trollversuch, nicht wie der berechtigte Hinweis auf ein tatsächliches Problem. Und der Verlierer ist am Ende der Kampf gegen den tatsächlichen Sexismus, denn hier werden Begriffe wie "Sexismus", "Vergewaltigung", "Rape Culture" u.ä. so inflationär durch­einander­geworfen, dass am Ende jemand mit einem wirklichen Übergriffs­problem statt der nötigen Hilfe ein "Haha, hat dir jemand was an die Klotür gemalt?" kriegt, weil drumherum so viel undifferenziert hyperventiliert wurde. (...)

Oder wie ist es hiermit? Die Karten haben nicht nur die Stimmung vergiftet, sondern selbst zu mehr Belästigung geführt als es vorher ohne sie gab und sie zu bekämpfen vorgaben. Klar, man kann da jetzt Unwissenheit, Naivität und Inkompetenz unterstellen. Oder man kann davon ausgehen, dass das die Absicht war. Ich habe mir meine Meinung noch nicht zu Ende gebildet an der Stelle, tendiere aber alleine aus verschwörungs­theoretischen Gründen grundsätzlich zu Absicht.» - Fefe[5]

Den Gedanken, dass man hier einfach nur Stimmung erzeugen wollte und den Kongress zu eigenen Propaganda­zwecken mißbraucht, findet man auch hier:

Zitat: «
  1. Stilisiere dich in die Opferrolle. Am besten durch die Nutzung von Dogmen, die es dir erlauben, möglichst viele Dinge als Angriff auf dich umzudeuten und dir ein moralisch-intelektuelles Erklär­schema liefern, mit dem man Kritiker gut abservieren kann.
  2. Stelle die Behauptung auf, deine Gegner besitzen eine Stärke, auf die sie besonders stolz sind, nicht. Am besten bezichtige sie gleich mal der Lüge (vereinfacht: "Nerds/Geeks/Hacker sind Sexisten und intolerant." Am besten haben sie eine inhärente Bedrohungskultur deiner Wahl.)
  3. Finde einen Ort/Veranstaltung, wo möglichst viele der besagten Personen­gruppe zur gleichen Zeit anwesend sind, um dich zu inszenieren.
  4. Erfinde ein System, mit dem du einzelne Mitglieder beschuldigen/moralisch herab­werten/verurteilen kannst, ohne dass diese sich wehren können und stelle sicher, dass du das überraschend und ohne Erklärung einführst. So sicherst du dir die moralische Oberhand.
  5. Recherchiere akribisch jede Fehlanwendung deines Systems, bevor du dich vor möglichst großem Publikum und Kameras als Opfer inszenierst.
  6. Nutze die Reaktion der sich verteidigenden Community, um deine in 2. aufgestellte Behauptungen nun zu untermauern und zu festigen. Am besten beginne noch Streit mit denen, die sich durch dein Verhalten am meisten getroffen fühlen bzw. verletzt sind.
  7. Etabliere, dass so eine Community von elenden Verbrechern nicht das Recht hat, sich gegenüber deinem offen­sichtlichen moralischen Feldzug zur Wehr zu setzen oder auch nur verletzt zu sein.
  8. ???
  9. PROFIT» - Anonymous Hamburg[6]

Zeigt meiner Meinung nach recht gut auf, warum man so etwas gerade auf einer relativ sicheren Konferenz wie der 29C3 einsetzt, die eigentlich keine besondere Geschichte der Belästigung aufweist. In der Tat ist hier das Problem eher durch die Karten selbst entstanden.

Auch die weitere Schlußfolgerung auf dem Blog passt gut zum Ansatz in dieser Form des radikalen Feminismus:

Zitat: «Was mich zu der Schluss­folgerung bringt: Es geht hier haupt­sächlich um Aufmerksamkeit für bestimmte Protagonisten und egoistisches Durchsetzen einer eng­stirnigen dogmatischen Agenda ohne Rücksicht auf Verluste als um das tatsächliche Bekämpfen von Sexismus.

Weil: "Wenn ICH das gut finde, muss das ja gut für alle sein!"»[6]

Es geht eben auch hier letztendlich um IDPOL[ext]: Der Darstellung, dass man gegen Sexismus kämpft und dabei besonders harte Regeln aufstellt, dass man gegen den dann zu erwartenden Shitstorm ankämpft, der eben unabhängig von der eigenen Provokation zeigt, dass man recht hatte.

Auch auf dem Blog "Blogblume" gibt es eine interessante Meinung zu den Creeper Cards:

Zitat: «Creeper Cards sind keine Kommunikation. Eher der Beweis, dass man selbst unfähig ist zu Kommunizieren. Die sind Bloßstellen, Anprangern, Drohung und wohl der beste Weg, Kommunikation zu töten. Die Diskussion­bereitschaft eines Menschen, der so eine rote Karte bekommt, wird sicher nicht die Größte sein und je nach Charakter sogar ein Ansporn, Karten wie diese zu sammeln und extra unhöflich zu sein.

Viele Männer sehen in dummen Sprüchen ein Spiel, ein Versuch ihre Überlegenheit und Männlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Herzlichen Glückwunsch, Creeper Cards sind hier die passenden Achievements. Sie sind die Auszeichnung dafür, rebellisch und nicht politisch korrekt zu sein. Wer ist bitte auf die total hirnrissige Idee gekommen, dass diese Art von Auszeichnung etwas ändert?

Redet miteinander und wenn ihr das nicht könnt, dann hilft euch auch keine Creeper Card, aber sie kann verhindern, dass das letzte Stückchen Diskussions­bereitschaft das Klo runtergespült wird.» - Blogblume[7]

Das beleuchtet gut die Reaktion, die solche Karten hervor­bringen: Sie erzeugen Widerstand und werden von gewissen Leuten dann eher als Anstachelung verstanden. Dieser Gedanke ist radikalen Feministen, die an IDPOL und Definitionsmacht glauben, aber wohl eher nicht zu vermitteln: Aus ihrer Sicht ist das Vorhalten von falschem Verhalten niemals falsch und ein Zurückhalten aufgrund von verschärfenden Folgen eher ein Einknicken vor dem Feind. [...]


Dass der feministische Ansatz häufig erst die Geschlechter betont, obwohl die Geschlechter ja eigentlich weniger in den Vordergrund gestellt werden sollen, wurde hier ja auch schon häufig geäußert. Indem das Bild der Frau als Opfer und des Mannes zumindest als potentiellen Täters hervor­gehoben wird, entsteht erst eine Atmosphäre, in der es zu Sexismus kommt. Wer zu viel Awareness fordert, der hebt damit gerade das Geschlecht hervor. Im radikalen Feminismus wird man natürlich sagen, dass vorher eben der Sexismus einfach nur totgeschwiegen wurde und genau so präsent war und dadurch nur öffentlicher wird und damit die gute Sache gefördert wird. Es scheint aber jedenfalls aus Sicht vieler Teilnehmer gerade nicht der Fall gewesen zu sein.

Alles Evolution[8]

Einzelnachweise

Querverweise

  • Geek Feminism Wiki: Backup Ribbon Project[ext]

Netzverweise


Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Creeper Move cards von Geek Feminism Wiki.