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Autismus

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Autismus ist eine tiefgreifende, komplexe neurologische Entwicklungs­störung, die hauptsächlich die Sinnes­wahrnehmung bzw. -verabeitung, Sprache und Sozial­verhalten betrifft. Autismus ist multikausal. Einige Ursachen sind bereits bekannt; vieles ist noch nicht erforscht. Oft hat Autismus eine starke genetische Komponente. Aber auch Umwelt­faktoren spielen eine Rolle. Die autistischen Erscheinungs­formen sind stark unterschiedlich. Kein Autist gleicht dem anderen, jeder ist anders betroffen. Deswegen spricht man bei Autismus auch nicht von Krankheit, sondern vom autistischen Syndrom oder von einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS). Für das autistische Spektrum gibt es folgende grobe Unterteilung: Frühkindlicher Autismus[wp] (oder Kanner-Autismus) (F84.0), Atypischer Autismus (F84.1) und Asperger-Syndrom[wp] (F84.5). Diese Einteilung hat keine scharfen Grenzen; es ist also durchaus möglich, dass ein Kind in jungen Jahren die Diagnose Frühkindlicher Autismus erhält, später aber - meist nach guter Förderung - im Atypischen- oder Asperger-Bereich eingestuft wird.

Jungen sind drei bis viermal häufiger betroffen als Mädchen.[1]

Der Begriff Autismus wurde erstmalig von dem Schweizer Psychiater Eugen Bleuler[wp] (1911) geprägt und kann mit "selbstbezogen" übersetzt werden.[2]

Merkmale

Erste Anzeichen von frühkindlichem Autismus treten oft schon im Alter von einem Jahr auf, werden aber meist erst viel später erkannt. Dabei können eine frühe Diagnose und ein früher Beginn von intensiven Therapien entscheidend für das betroffene Kind sein. Wichtige Anzeichen oder Verdachts­momente sind:

  • Ein oft großer Kopfumfang bei der Geburt.
  • Störung der Sprachentwicklung: Entweder setzt die Sprachentwicklung nicht ein oder sie verläuft anfangs normal und kommt später zum Stillstand oder ist sogar rückläufig.
  • Beeinträchtigung des Sozialverhaltens: Das Kind spielt meist objektfremd mit Gegenständen und nicht mit anderen Kindern. Blickkontakt oder Mimik fehlen häufig. Körperkontakt und die Nähe zu anderen Personen werden oft abgelehnt. Rollen- oder Fantasie­spiele fehlen ebenso wie Beziehungen zu Gleichaltrigen.
  • Selbststimulation, stereotypisch repetitive motorische Verhaltensformen und beschränkte Interessen: Beispiele sind hier das Flattern der Hände (hand flapping), das Schnalzen von Fingern und das Drehen von Rädern an Spielzeugautos.
  • Gestörte Sinnes­wahr­nehmung: Die einzelnen Sinne sind entweder zu stark (hyper) oder zu schwach (hypo) ausgeprägt. Die Reizverarbeitung ist gestört. Die Schmerz­wahr­nehmung ist oft beeinträchtigt.
  • Angst vor Veränderungen und deren Ablehnung (bis zur Panik): Starres Festhalten an Gewohnheiten und Ritualen bringt vielen Kindern mit Autismus Sicherheit.
  • Hyper- oder Hypoaktivität.
  • Eine häufig geringe Frustrationstoleranz.
  • Defizite in der Aufmerksamkeit.
  • Beeinträchtigungen der Grob- oder Feinmotorik als auch Zehenspitzengang (nur bei einigen Autisten).
  • Epileptische Anfälle (nur bei einigen Autisten).

Therapieansätze

Es gibt mehrere Dutzend Therapien für Menschen mit Autismus. Welche Methode betroffene Eltern als Erstes ausprobieren, ist meist dem Zufall überlassen. Ein einheitlicher Therapie­ansatz hat sich noch nicht durchsetzen können. Obwohl jedes Kind anders betroffen ist und auch individuell unterschiedlich auf eine Therapie reagiert, kristallisieren sich doch drei Hauptsäulen in der Behandlung von Autisten heraus:

  • Moderne verhaltenstherapeutische Ansätze (Applied Behaviour Analysis / Verbal Behaviour (ABA/VB))
  • Biomedizin
  • Sensorische Integration

Wie viel ein Kind von jeder Säule braucht, ist wieder individuell sehr verschieden. In der Mehrzahl der Fälle sind alle drei Säulen nötig. ABA/VB hat dabei eine besondere Bedeutung: Es ist die einzige Hauptsäule, bei der es ums Lernen geht. Und es ist die mit Abstand am besten erforschte Methode in der Therapie von Menschen mit Autismus. Eine hohe Wirksamkeit ist wissenschaftlich nachgewiesen. ABA/VB kann allerdings versagen - wie jede andere Therapieform auch. Dies passiert zum Glück nur in wenigen Fällen.

Es ist entscheidend, mit wirksamen Therapien möglichst früh zu beginnen. Dann ist das kindliche Gehirn noch sehr plastisch und kann sein maximales Potenzial entfalten. ABA/VB funktioniert aber auch bei älteren Kindern oder Erwachsenen, ist hier aber im Normalfall nicht mehr so erfolgreich. ABA/VB ist weder auf Menschen mit Autismus noch auf Menschen überhaupt beschränkt. Es umfasst universelle Prinzipien, die auch bei neuro­typischen Menschen und bei Tieren funktionieren.

Verhaltensanalytiker betrachten den Organismus als "Blackbox", d. h. sie schauen nicht in das Gehirn hinein, sondern erforschen die Zusammenhänge zwischen Stimuli, gezeigtem Verhalten und den folgenden Konsequenzen. Das Gehirn ist plastisch, es ist ein sich selbst veränderndes System. Konditionierung verändert das Gehirn: Neue Synapsen werden gebildet, vorhandene werde abgebaut. Damit sind Verhaltensänderungen (d. h. lernen) möglich.

Die deutsche Agentur für Health Technology Assessment (HTA) des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) brachte im Jahr 2009 im Auftrag des Bundes­gesundheits­ministeriums die Metastudie "Verhaltens- und fertigkeiten­basierte Früh­interventionen bei Kindern mit Autismus" heraus. Metastudien kombinieren vorhandene primäre Studien zu einer Zusammenschau. Der DIMDI-Bericht zeigt, dass ABA als die am besten empirisch abgesicherte Frühintervention für Autismus angesehen werden kann.[3]

Literatur

  • Dr. med. Salaheddin Faraji: Biomedizinische Untersuchungen und Behandlungsmethoden beim Autistischen Syndrom und AD(H)D: Grundlagen und Praxis, April 2007[4]
  • Catherine Maurice: Let Me Hear Your Voice: A Family's Triumph Over Autism, 1993
  • John O. Cooper, Timothy E. Heron, William L. Heward: Applied Behavior Analysis, Second Edition, 2007
  • Janina Menze: Autismus und die Lernmethode ABA: Angewandte Verhaltensanalyse (Spektrum Ergotherapie), 2012
  • Axel Brauns: Buntschatten und Fledermäuse. Mein Leben in einer anderen Welt, 2004
  • Carl H. Delacato: The Ultimate Stranger: The Autistic Child, 1974
  • David Kirby: Evidence Of Harm, Mercury in Vaccines And The Autism Epidemic: A Medical Controversy, 2005
  • Hermann Danne: Applied Behaviour Analysis und Verbal Behaviour: Grundlagen und Umsetzung bei Autismus (2. verbesserte und erweiterte Auflage), 8. Juni 2016[5]

Einzelnachweise

  1. Hamburger Autismus-Institut: Entstehung und Häufigkeit
  2. Autismus Hamburg: Was ist Autismus?
  3. Pdf-icon-extern.svg Verhaltens- und fertigkeitsbasierte Frühinterventionen bei Kindern mit Autismus[ext] - Bundesministerium für Gesundheit, deutsche Agentur für HTA des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), Schriftenreihe Health Technology Assessment (HTA) in der Bundesrepublik Deutschland, 2009 (137 Seiten)
  4. autismus-medicus.de
  5. Amazon: Applied Behaviour Analysis und Verbal Behaviour: Grundlagen und Umsetzung bei Autismus (2. Auflage)

Netzverweise