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Reifrock
Ein Reifrock ist ein durch Reifen aus Holz, Fischbein oder Federstahl gespreizter Unterrock[wp]. Je nach Form und Epoche unterscheidet man Verdugado[wp], Panier, Krinoline und Tournüre.
Verdugado
Der Reifrock kam erstmals in Spanien um 1470 als glockenförmiger Verdugado auf. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts entstand daraus in der spanischen Tracht eine kegelförmige Kontur. Fast gleichzeitig wurde in Frankreich eine eigenständige, tonnenförmige Variante (Vertugadin) entwickelt. In den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts geriet der Reifrock wieder aus der Mode. Eine Ausnahme bildet Spanien, wo sich eine breit-ovale Form entwickelte, die von Velázquez[wp]-Bildern bekannt ist.
Isabella Clara Eugenia von Spanien[wp] mit kegelförmigem Verdugado (ca. 1599)
Elisabeth I.[wp] mit tonnenförmigem Vertugadin (ca. 1592)
Infantin Margareta von Spanien[wp] mit breit-ovalem Reifrock (1659)
Panier
In Frankreich und dem Rest Europas kehrte der Reifrock erst um 1715 wieder. Zunächst kurz und kegelig, wurde er schon wenig später kuppelförmig und extrem ausladend. Ab ca. 1750 wurden die großen, knie- oder wadenlangen Paniers durch Springröcke ersetzt, die nur bis über die Hüften hinabreichten, sowie durch zwei voneinander getrennte, auf der Hüfte sitzende Teile, die an einem Taillenband umgebunden wurden, die Poschen (von frz. poche, Tasche). Die Poschen waren bequemer als Paniers, weil man nicht auf Reifen sitzen musste, und konnten, wie der Name andeutet, gleichzeitig als Taschen dienen.
Bereits vor der Französischen Revolution[wp] kam der Reifrock in der bürgerlichen Kleidung im Zuge der Orientierung an der englischen Mode außer Gebrauch. Nur im formellen und höfischen Bereich überlebte er bis zur Revolution, in der englischen Hofgala sogar bis zum frühen 19. Jahrhundert.
Anna Karolina Orzelska[wp] mit kuppelförmigen Reifrock (1730)
Maria Leszczyńska[wp] mit ovalem Panier (1747/48)
Marie-Antoinette[wp] in Hofgala mit großem Panier (1778)
Krinoline
Nach 1830 erlebte der Reifrock als Krinoline (italienisch-französisch crin, eigentlich "Rosshaargewebe") in der Krinolinenmode (1842-1870) eine erneute Renaissance, zunächst als Unterrock aus mit Rosshaar verstärktem und geformtem Gewebe, das das bis dahin übliche Tragen mehrerer Stoffunterröcke ablöste. Nach Experimenten mit Fischbein und aufblasbaren Gummischläuchen setzte sich ab 1856 eine englische Konstruktion aus Federstahlbändern durch. Trotz des relativ großen Stahlverbrauchs war sie noch preiswerter als die Rosshaar-Modelle, vor allem aber ließ sie sich besser in die gewünschte Form bringen. Um 1868 erreichte die Krinoline mit einem Saumumfang von sechs bis acht Metern ihre üppigste Weite.
Kaiserin Elisabeth[wp] mit großer Krinoline (1865)
Tournüre
Um 1870 wurde die Krinoline durch die Tournüre (von französisch Tournure für "Drehung", eingedeutscht auch Turnüre) abgelöst, die nicht mehr den ganzen Unterleib umschloss, sondern den Rock nur noch über dem Gesäß mit Hilfe von Halbgestellen aus Stahl, Fischbein oder Rosshaar aufbauschte. Nach einer kurzen Pause um 1880 kehrte sie um 1883 als "zweite Tournüre" wieder. Um 1888 verschwand der Reifrock endgültig aus der Mode. Seither wird er fast nur noch bei Brautkleidern verwendet.
20. Jahrhundert
Einen Nachhall - allerdings ohne Reifen - fand der Reifrock in der Kriegskrinoline um 1915/16 und noch einmal in den 1950er Jahren mit dem Petticoat, der den Röcken wieder eine betont glockenförmige Silhouette verlieh.