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Richterprivileg
Der Begriff Richterprivileg (lat.: privilegium = Vor- oder Sonderrecht) steht für die Tatsache, dass Richter bei ihren Urteilen bzw. Beschlüssen in einer Rechtssache - im Gegensatz zu allen anderen Amtsträgern - nur dann für Verletzungen ihrer Amtspflichten haftbar gemacht werden können, wenn es sich bei der konkreten Pflichtverletzung zugleich um eine Straftat handelt. Konkret bedeutet das, der Richter muss aufgrund der betreffenden Handlung oder Unterlassung zuvor wegen Rechtsbeugung verurteilt worden sein. Letzteres ist in der Bundesrepublik Deutschland jedoch so gut wie ausgeschlossen, sodass Richter, egal wie offen sie gegen Recht und Gesetz verstoßen, praktisch nicht belangt werden können.
"Rechtliche" Grundlage
In mehreren Urteilen hat der Bundesgerichtshof - erstmals im Jahr 1952, danach folgten weitere Schandurteile im gleichen Tenor - die Verbrechen von Nazirichtern für sakrosankt erklärt. Im Klartext sagten die Richter des BGH seinerzeit, die Tatsache, dass ein Nazirichter Menschen wegen Nichtigkeiten zum Tode verurteilt habe, reiche nicht aus, um ihn zu bestrafen. Voraussetzung hierfür sei vielmehr der darüber hinaus zu führende Nachweis, dass dem Richter der Unrechtscharakter seines Handelns bewußt gewesen sei, denn an sich hätten die Kollegen seinerzeit doch nur die damals geltenden Gesetze befolgt.
Historie
In seinem Aufsatz "Wie die Bundesrepublik NS-Verbrecher in den Justizapparat übernahm" spricht Hans Schueler an, dass von den NS-Sondergerichten und dem Volksgerichtshof ungezählte Menschen nur wegen des Abhörens von Feindsendern oder dem Erzählen abträglicher Witze über Hitler und Göring[wp] zum Tode verurteilt und hingerichtet worden seien. Dann führt er aus, im Nazireich wären die äußeren Insignien der Rechtsstaatlichkeit im Wesentlichen unangetastet geblieben. Das Reichsstrafgesetzbuch, die Strafprozessordung und sogar das Gerichtsverfassungsgesetz, das den Richtern Unabhängigkeit von obrigkeitlichen Weisungen verbürgte, hätten formal weiter gegolten. Und: Dieser Rechtsstaats-Schein hätte der Nachkriegsjustiz den Vorwand geliefert, selbst die blutigsten NS-Richter von der Mordanklage freizusprechen: Ein Richter habe im Gehorsam gegen die damals bestehenden Vorschriften auch mit dem barbarischsten Urteil kein Verbrechen begehen können, es sei denn, er wäre sich des Unrechts bewusst gewesen und hätte vorsätzlich gegen sein "Rechtsgefühl" entschieden.
Letzteres war laut Auffassung der BGH-Richter aber keinem nachzuweisen. Noch in seinem Urteil gegen den einzigen angeklagten Richter am Volksgerichtshof, Hans-Joachim Rehse[wp], konnte ein Berliner Schwurgericht 1968 feststellen:
Zitat: | «Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ... handelte es sich beim Volksgerichtshof um ein unabhängiges, nur dem Gesetz unterworfenes Gericht...» |
Die Bundesrepublik hat sich am Ende mit zwei Gnadenakten von der Verantwortung für ihren lässlichen Umgang mit den Mördern in der Richterrobe losgesagt. Im Juni 1961 fasste der Bundestag eine Entschließung, wonach er "erwarte, dass jeder Richter und Staatsanwalt, der wegen seiner Mitwirkung an Todesurteilen mit begründeten Vorwürfen aus der Vergangenheit rechnen muss, sich seiner Pflicht bewusst wird, jetzt aus dem Dienst auszuscheiden, um die klare Trennung zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu ziehen“. 149 Richter und Staatsanwälte im Länderdienst sind damals dieser Aufforderung gefolgt. Sie gingen mit vollen Pensionsbezügen in den Ruhestand. Wiederum viele Jahre später, am 25. Januar 1985, stellte der Bundestag fest, die Urteile des Hitlerschen Volksgerichtshofes seien entgegen der langjährigen Rechtsprechung hoher und höchster Gerichte der Bundesrepublik ungültig, weil sie allesamt rechtswidrig wären. Inzwischen gab es allerdings niemanden mehr, den man hätte dafür zur Verantwortung ziehen können...[1]
Ein Vergleich
Weiter weist Hans Schueler darauf hin, die NS-Juristen hätten – spätestens nach Kriegsbeginn – Dienst als Mörder und Mordgehilfen in einem Umfang geleistet, wie er den Richtern in der DDR niemals abverlangt worden wäre. Anders als die DDR-Richter, von denen nach der Wende einige wegen im Amt begangener Straftaten verurteilt worden waren, hätten Hitlers Richter und Staatsanwälte ihre juristische Ausbildung jedoch überwiegend in einem Rechtsstaat genossen, nämlich der Weimarer Republik. Somit hätten sie sich, als sie Recht und Gerechtigkeit verrieten, schwerer schuldig gemacht als ihre Nachfolger in der DDR, die den Beruf als Richter oder Ankläger von Anbeginn an nur als Hilfsdienst beim Aufbau des Sozialismus zu verstehen gelernt hätten. Dieser Einschätzung ist beizupflichten. Umso unverständlicher ist es, dass die deutsche Justiz hier so unverfroren mit zweierlei Maß gemessen hat.