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Afghanistan-Papiere

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Der Begriff Afghanistan-Papiere (englisch: Afghanistan Papers) bezeichnet summarisch eine Reihe interner Dokumente des Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction[wp] (SIGAR, eine vom US-Kongress geschaffene Aufsichts­behörde der US-Regierung für den Wiederaufbau Afghanistans), die die Washington Post durch eine Anfrage nach dem Freedom of Information Act[wp] (FOIA) erhalten hat und die den Krieg der USA in Afghanistan[wp] dokumentieren.[1][2][3] Die Dokumente zeigen, dass hochrangige Beamte generell der Meinung waren, dass der Krieg nicht zu gewinnen sei, dies aber nicht gegenüber der Öffentlichkeit kommunizierten.[1][4][5][6] Lulu Garcia-Navarro[wp], die Gastgeberin des NPR, sagte, dass die "neuen Pentagon-Papiere[wp] explizite und nachhaltige Bemühungen der US-Regierung beschreiben, die Öffentlichkeit absichtlich in die Irre zu führen".[4]

Erste Berichterstattung der Washington Post

Der erste Artikel mit dem Titel "At War With the Truth" wurde am 9. Dezember 2019 vom Reporter Craig Whitlock[wp] von der Washington Post veröffentlicht[7] Kurz darauf bauten zahlreiche Veröffentlichungen auf Whitlocks Schreiben auf.

Reaktionen von Amtsträgern

Aufgrund der Art des Inhalts der Afghanistan Papers kommentierten zahlreiche Beamte deren Inhalt im folgenden Tag im ersten Artikel von Whitlock. Im Folgenden wird ein Ausschnitt aus dem gesamten politischen Spektrum angeboten:

Senator Rand Paul[wp]: "Ich denke, unsere jungen Männer und Frauen, die wir in den Krieg schicken, unsere Besten und Klügsten, sie haben etwas Besseres verdient. Sie verdienen eine öffentliche Vorstellung von dem, was die Mission ist. Ich sage schon seit einigen Jahren, dass ich nirgendwo einen General treffen kann, der mir wirklich sagen kann, was die Mission ist, die wir in Afghanistan zu erfüllen versuchen".[8]

Senatorin Kirsten Gillibrand[wp]: "Wir alle haben heute die auffällige Bericht­erstattung der Washington Post gelesen, die suggeriert, dass Verwaltungs­beamte, möglicherweise auch Militärs, die amerikanische Öffentlichkeit über den Krieg in Afghanistan in die Irre geführt haben. Ich schreibe, um Anhörungen zu beantragen, um diese zutiefst beunruhigenden Enthüllungen über den Afghanistan-Krieg anzusprechen".[9]

Der ehemalige Vizepräsident Joe Biden distanzierte sich von Barack Obamas[wp] Kriegspolitik in Afghanistan und sagte: "Ich war von Anfang an derjenige, der argumentierte, dass es ein großer, großer Fehler war, die Truppen nach Afghanistan zu schicken."[10]

Afghanen und das Steuersystem

Ein YouTuber fand in den "Afghanistan Papers" eine wahre Perle des Irrsinns, der zum einen zeigt, wie weltfremd die Vorstellung war, Afghanistan mit Mädchenschulen zuzupflastern, aber auch wie schlau die Leute dort eigentlich sind. Die Afghanistan Papers bestehen aus einer Serie intern geführter Interviews und Lage­einschätzungen des US-Militärs über die Besatzung in Afghanistan. An die Öffentlichkeit gelangten sie vor zwei Jahren infolge eines Informations­freiheits­abfrage bei der Regierung. Aus den Dokumenten wird deutlich, dass die in Afghanistan eingesetzten Militärs schon vor Jahren keine Chance sahen, den Krieg jemals erfolgreich beenden zu können. Der Abstand in der Mentalität ist einfach zu groß. Bestes Beispiel sind Steuern, wie im folgenden Absatz deutlich wird.

Steuern? Klingt wie Diebstahl!

Zitat: «Maj. Thomas Clinton jr., a Marine officer, said the Afghan soldiers he trained were no different to average Americans: They wanted access to roads, schools, water and other basic services. But he said, it was hard to explain to them how the American system of government paid for such things.

"The Afghans think Americans have money coming out of their butts," Clinton said. "I talked about taxation and all this stuff... They ased what taxes were. I started explaining that it was much like your warlords who used to tax people. 'Oh no, that's just stealing.' Then I had to explain the whole tax thing. The officers were enthralled because they didn‘t have any concept of taxes." [...]

Lt. Col. Todd Guggisberg, an Army officer who was detailed to NATO headquarters in Kabul, said it was dubious that the Afghans would ever embrace a modern, centralized government. "They have a very long history of being loyal to their family and their tribe, so the guy sitting out in Chaghcharan[wp] couldn't really care less about who Presidenz Hamit Karzai is and the fact that he's in charge of Kabul", he said. "It reminds me of a Monty Python movie where the king goes riding by some peasant in the dirt and the kind rides up and says, 'I'm the king', and the peasant turns around and says, 'What's a king?'"»[11]

Auf deutsch:

Zitat: «Der Marineoffizier Thomas Clinton jr. sagte, dass sich die von ihm ausgebildeten afghanischen Soldaten sich nicht wirklich von durch­schnittlichen Amerikanern unterschieden: Sie wollten Zugang zu Straßen, Schulen, Wasser und anderen grundlegenden Dienstleistungen. Aber er sagte auch, es sei schwer gewesen, ihnen zu näherzubringen, wie solche Sachen in den USA finanziert werden.

"Die Afghanen denken, dass den Amerikanern das Geld aus dem Hintern kommt", sagte Clinton. "Ich sprach über Steuern und all diese Dinge... Sie fragten mich dann, was Steuern seien. Ich habe ihnen erklärt, dass es sich dabei so ähnlich verhält wie bei ihren früheren Warlords, die bei den Menschen Geld eingetrieben hatten. Darauf meinten sie: 'Aber das war doch nur Diebstahl.' Dann musste ich ihnen die ganze Sache mit den Steuern erklären. Die Offiziere waren ganz gefesselt von meinen Erzählungen, weil sie das Konzept von Steuern nicht kannten." [...]

Der im NATO-Hauptquartier in Kabul tätige Armee­offizier Todd Guggisberg meinte, es sei zweifelhaft, dass die Afghanen jemals eine moderne, zentralisierte Regierung akzeptieren würden. "Sie haben eine lange Tradition der Loyalität gegenüber ihrer Familie und ihrem Clan, so jemandem, der draußen in Tschaghtscharan[wp] lebt, gleichgültig sein kann, wer Präsident Hamit Karzai ist, und dass er in Kabul das Sagen hat", erzählte er. "Mich hat das immer an eine Szene in einem Monty-Python-Film erinnert, in dem der König auf dem Weg auf einen Bauern trifft, auf ihn zureitet und dann sagt: 'Ich bin der König', und der Bauer dreht sich um und fragt: 'Was ist ein König?'"»

Monty Python[wp] also. Schade, dass es vorbei ist. Annalena Baerbock würde dort bestimmt gut hinpassen.

– Mannikos Blog[12]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Craig Whitlock: "Confidential documents reveal U.S. officials failed to tell the truth about the war in Afghanistan", Washington Post am 9. Dezember 2019
  2. Meghann Myers: "Senior enlisted leaders react to Afghanistan papers: 'I've never been lied to'", Military Times am 9. Dezember 2019
  3. Anna Palmer, Jake Sherman: "POLITICO Playbook: America's longest war finally has its Pentagon Papers moment", POLITICO am 9. Dezember 2019
  4. 4,0 4,1 Peter Beaumont (2019-12-09) "Afghanistan papers reveal US public were misled about unwinnable war", The Guardian
  5. Peter Beaumont (December 9, 2019) "US lies and deception spelled out in Afghanistan papers' shocking detail", The Guardian am 9. Dezember 2019
  6. Ryan Pickrell: "Top US officials knew the Afghanistan war was unwinnable and 'lied' — even as costs rose to $1 trillion and 2,351 American troop's lives", Business Insider am 9. Dezember 2019
  7. Craig Whitlock: "At War With the Truth", Washington Post am 9. Dezember 2019
  8. Victor Garcia: "Sen. Rand Paul reacts to bombshell Afghanistan report, says service members 'deserve better'", Fox News am 9. Dezember 2019
  9. Ellen Mitchell: "Gillibrand demands hearing following release of 'Afghanistan Papers'", The Hill am 9. Dezember 2019
  10. "Joe Biden reacts to the Afghanistan papers", PBS SoCal am 19. Dezember 2019
  11. Youtube-link-icon.svg Afghanistan soldiers were anarcho capitalists US Marine explains - Romanian TVee (10. September 2021) (Länge: 5:34 Min.)
    Die afghanistanischen Soldaten waren Anarcho-Kapitalisten, erklärt ein US-Marine.
  12. Afghanen bekamen das Konzept von Steuern erklärt - und hielten es für Diebstahl[archiviert am 6. Juni 2022], Mannikos Blog am 10. September 2021

Netzverweise

  • Die englischsprachige Wikipedia führt einen Artikel über Afghanistan Papers (Diesen Artikel gibt es in der deutschsprachigen Wikipedia [noch] nicht.)
  • Das PiratenWiki führt einen Artikel über Afghanistanpapiere
  • Youtube-link-icon.svg Stefan Liebich zu den Afghanistan Papers: 18 Jahre Krieg in Afghanistan bedeutet 18 Jahre Lügen - Stefan Liebich (19. Dezember 2019) (Länge: 4:17 Min.)
    Die Washington Post hat jetzt aufgedeckt: Die US-Regierung verbreitete vom ersten Tag an über den Krieg in Afghanistan falsche Todeszahlen, gefälschte Statistiken, geschönte Erfolge. Und der deutsche Außenminister hat davon nach eigenem Bekunden nichts mitbekommen.
    18 Jahre Krieg in #Afghanistan basierten auf Lügen. Statistiken, Erfolge, Todeszahlen - alles wurde systematisch gefälscht, wie die Veröffentlichung der #AfghanistanPapers zeigte. Die #Bundeswehr ist aufgrund dieser Lügen dort stationiert.
  • Frank Herrmann: Brisante Wahrheiten: Wir hatten nicht die leiseste Ahnung, Saarbrücker Zeitung am 11. Dezember 2019
    Anreißer: Die jetzt freigegebenen Afghanistan-Papiere zeigen, wie die US-Regierungen die Fortschritte am Hindukusch beschönigten.
    Sechs Jahre lang, bis 2013, war Douglas Lute[wp] als Sonder­beauftragter im Weißen Haus für den Krieg in Afghanistan zuständig. Als er regierungs­intern nach Lehren gefragt wurde, wurde er deutlich. "Uns fehlte ein grund­sätzliches Verständnis für Afghanistan. Wir wussten nicht, was wir taten", zog der Drei­sterne­general ernüchtert Bilanz. "Was versuchen wir dort zu erreichen? Wir hatten nicht die leiseste Ahnung, worauf wir uns eingelassen hatten."
    Lute ist einer von über 400 Experten, die seit 2014 hinter verschlossenen Türen zu Protokoll gaben, was sie vom Einsatz am Hindukusch hielten - Soldaten, Diplomaten, Mitarbeiter von Hilfs­organisationen. "Lessons Learned" hieß das Projekt: In der Annahme, die Truppen würden noch unter dem Präsidenten Barack Obama vollständig abgezogen, wollte das Büro des General­inspekteurs für den afghanischen Wieder­aufbau Bilanz ziehen. Fehler auflisten, Lektionen formulieren. Nach drei­jährigem Rechtsstreit hat die Washington Post nun die Freigabe der mehr als zwei­tausend Seiten erzwungen. Manche vergleichen sie mit den Pentagon-Papieren[wp], der schonungslos offenen Analyse des Vietnamkriegs, die 1971 von dem Whistle­blower Daniel Ellsberg[wp] der Presse zugespielt wurde.
  • The Afghanistan Papers, Washington Post am 9. Dezember 2019
  • The Lessons of the Afghanistan Papers, The Atlantic am 17. Dezember 2019 (Anreißer: Americans need leaders who can tell them how and when they will decide to pull the plug.)
  • Pia Lorenz: Obwohl "Zensurheberrecht" zugunsten des Staates möglich: EuGH bil­ligt Ver­öf­f­ent­li­chung der Afg­ha­nistan-Papiere, Legal Tribune Online am 29. Juli 2019
  • Youtube-link-icon.svg Klartext #1: Ehemaliger Fallschirmjäger über "Afghanistan und Kampfeinsatz" - mit Johannes Clair - Johannes Joe Clair[wp] (Dezember 2014 an der Universität der Bundeswehr in München) (Länge: 101:24 Min.)
    Augenzeugenberichte sind elementar für eine Demokratie. Und auch, wenn so mancher Kommentator nicht in der Lage ist, Offenheit mit sachlichen Antworten zu begegnen, zeigt das überwältigend positive Verhältnis von Likes zu Dislikes, dass die meisten Menschen sich un­vor­eingenommen informieren wollen...
    Ehrlicher und offener Vortrag des ehemaligen Fallschirm­jägers und Bestseller­autors Johannes Clair im Dezember 2014 an der Universität der Bundeswehr in München[wp]. Die anwesenden jungen Offiziere hatten eigeninitiativ um den Vortrag gebeten und ihn organisiert.
    ACHTUNG: Dieser Vortrag stellt keine politische Abrechnung mit dem Einsatz in Afghanistan dar. Zwar wird das Thema "politische Dimension und Bewertung" des Einsatzes in anderen Videos auf diesem Kanal aufgegriffen, an dieser Stelle geht es aber vor allem um einen Augen­zeugen­bericht aus erster Hand.
    Der Leiter Studentenbereich, ein Oberst, bat um das Auftreten in Uniform[wp], was insofern ungewöhnlich war, als dass Johannes Clair normalerweise in Zivil auftritt, wenn er über seine Einsatz­erlebnisse berichtet. Die Intention hinter einem zivilen Auftritt besteht darin, den zahlreichen Vorurteilen bezüglich der Thematik "Einsatz in Afghanistan" optisch neutraler entgegen­zu­treten. Menschen lassen sich mitunter leicht von Kleidung irreführen und verwehren sich damit selbst einer differenzierten Aus­einander­setzung mit einem Thema.
    Der Rahmen "Bundeswehruniversität", die Initiative der jungen Offiziere für den Vortrag und der Wunsch des Oberst führten in diesem Falle zu einer Ausnahme und dem Auftreten in Uniform. Grundsätzlich war es Clair zu diesem Zeitpunkt als Angehöriger der Streitkräfte im Rahmen der Vorschriften immer gestattet, Uniform zu tragen.

Querverweise

  • Ukraine-Papiere
  • Pentagon-Papiere[wp]
  • Veröffentlichung des Kriegstagebuchs des Irak-Krieges durch WikiLeaks[wp]


Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Afghanistan Papers (23. Dezember 2019) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia. Der Wikipedia-Artikel steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar, die vor Übernahme in WikiMANNia am Text mitgearbeitet haben.