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Gerold Becker

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Gerold Becker
Gerold Becker.jpg
Gelebt 12. April 1936–7. Juli 2010
Beruf Pädagoge, Theologe

Gerold Ummo Becker (1936-2010) war ein deutscher Erziehungs­wissen­schaftler und Pädagoge. Er war von 1972 bis 1985 Leiter der reformpädagogisch orientierten Odenwaldschule[wp] im Heppenheimer Stadtteil Ober-Hambach.[1] Im Abschlussbericht über die "sexuelle Ausbeutung von Schülern und Schülerinnen an der Odenwaldschule im Zeitraum 1960 bis 2010" bezeichnen ihn die beiden unabhängigen Aufklärerinnen als "Haupttäter".[2][3]

Sexueller Missbrauch

Laut Presseberichten erhielt der damalige Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Hellmut Becker[wp], bereits 1970 von seinem Patensohn die Mitteilung, dass Gerold Becker ihn missbraucht habe. Er habe daraufhin Gerold Becker in einem Gespräch vorgeschlagen, sich einer Therapie zu unterziehen, was dieser aber abgelehnt habe.[4][5]

1998 gab es nach Angaben der Odenwaldschule[wp] erste öffentliche Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs gegen den ehemaligen Schulleiter Becker. Ein Artikel 1998 in der Frankfurter Rundschau löste nur eine interne Aussprache in der Odenwaldschule aus. Staatsanwalt­schaftliche Ermittlungen wurden wegen Verjährung[wp] eingestellt.[6] In einem Artikel der Frankfurter Rundschau vom März 2010 warfen ihm ehemalige Schüler vor, reform­pädagogische Ansätze[wp] für seine pädophilen Neigungen missbraucht zu haben und diese mit pseudo-pädagogischen Thesen zu verschleiern.[7][8] Die damalige Leiterin der Odenwaldschule, Margarita Kaufmann, bestätigte die Existenz der Vorwürfe und sprach unter anderem davon, dass ein Schüler von Becker mutmaßlich "bis zu 400-mal missbraucht" worden sei.[9] Opfer des Missbrauchs, die sich Becker entzogen, bzw. Zeugen, die Hilfe suchten und die Vorfälle publik machen wollten, wurden nach Angaben von Kaufmann systematisch durch Becker diskreditiert.[10]

Die deutsche Schriftstellerin Amelie Fried[wp], Schülerin der Odenwaldschule in den siebziger Jahren, forderte in einem Gastbeitrag in der FAZ von Becker eine persönliche Entschuldigung bei den Opfern.[11] Becker bat kurz darauf in einem Brief an die Odenwaldschule seine Opfer, sowie alle Personen und Institutionen, mit denen er zusammen­gearbeitet hat, um Entschuldigung und erneuerte ein nach den Vorwürfen 1998 geäußertes Gesprächsangebot.[12] Der Spiegel-Autor Christian Füller[wp] forderte "ein öffentliches Tribunal" angesichts der Tatsache, dass Becker und seine Mittäter rechtlich nicht mehr belangt werden könnten, da die Verbrechen verjährt seien. Die Odenwaldschule insgesamt müsse sich ändern und auch die dortige Reformpädagogik[wp] brauche einen "öffentlichen Prozess".[13] Der Zeit-Redakteur Reinhard Kahl[wp] schrieb: "Gerold Becker (...) hat sich inzwischen bei den Opfern entschuldigt, allerdings in einer Form, die an die Verspätungs­durchsagen der Bahn erinnert. Nichts von Selbstreflexion[wp]. Auf die Vorwürfe, die bereits 1998 erhoben wurden, war er zuvor nicht eingegangen, und die Fragen seiner Freunde und Bekannten hatte er mit der Gegenfrage pariert: 'Traust du mir das zu?' Auch zu dieser Übertragung der Beschämung auf die Fragenden bisher kein Wort."[14] Wegen Verjährung wurde keine Anklage gegen Becker erhoben.[15]

In einem Abschlussbericht wird Becker als einer der Haupttäter bezeichnet. Ihm werden 86 männliche Opfer zwischen 12 und 15 Jahren zugerechnet. Er müsse sich laut der Gerichtspräsidentin a. D. und Mitglied der "unabhängigen Aufklärerinnen der Odenwaldschule" Brigitte Tilmann[wp] als "Pädophiler in einem permanenten sexuellen Erregungszustand" befunden haben.[3]

Hauptartikel in Wikipedia: Odenwaldschule#Missbrauchsfälle

Einzelnachweise

  1. Heike Schmoll: Odenwaldschule: Die Herren vom Zauberberg, FAZ am 14. März 2010 (Gewissenlose Verbrecher hätten die pädagogischen Grundlagen der Odenwaldschule erschüttert, klagte Schriftstellerin Amelie Fried[wp] in der F.A.Z. Ein Blick auf die Geschichte der Schule und ihres Personals zeigt, dass die Probleme noch viel tiefer liegen.)
  2. Pdf-icon-extern.svg Abschlussbericht über die bisherigen Mitteilungen über sexuelle Ausbeutung von Schülern und Schülerinnen an der Odenwaldschule im Zeitraum 1960 bis 2010[ext] - Claudia Burgsmüller, Brigitte Tilmann, Dezember 2010 (35 Seiten, 395 KB)
  3. 3,0 3,1 Christian Füller: Abschlussbericht zu Missbrauchsfällen: Odenwaldtäter beim Namen genannt, TAZ am 17. Dezember 2010 (Der vorläufig letzte Bericht zu Opfern sexuellen Missbrauchs an der einstigen Vorzeigeschule bringt weitere furchtbare Details ans Licht. Aufklärerinnen nennen Täter wirklich Täter.)
  4. Odenwaldschule: Viel mehr Missbrauchsopfer?, FAZ Online am 21. März 2010 (Nach dem Geständnis des früheren Leiters der Odenwaldschule, Gerold Becker, ist der Skandal noch lange nicht beendet. Ehemalige Schüler sprechen von mafiösen Strukturen und äußern ihren Unmut über den Brief von Becker.)
  5. Die Tagespost vom 12. April 2010
  6. Jörg Schindler: Odenwaldschule - FR Anno 1999: Der Lack ist ab, Frankfurter Rundschau am 8. März 2010
  7. Jörg Schindler: Missbrauch an Elite-Schule: Sexuelle Dienstleiste, Frankfurter Rundschau am ("Erste Vorwürfe gegen den langjährigen Rektor Gerold Becker, der die OSO von 1971 bis 1985 leitete und heute schwer krank ist, waren vor gut zehn Jahren publik geworden.")
  8. Jörg Schindler: Missbrauch an der Odenwaldschule: Gemobbt, geschlagen, vergewaltigt, Frankfurter Rundschau am ("Weil sie es nicht länger ertragen konnten, dass Becker weiterhin als gefragter Handlungsreisender von Podium zu Podium eilt, wandten sich seinerzeit insgesamt fünf Altschüler an die Öffentlichkeit und berichteten über ihre Erfahrungen mit dem pädophilen Pädagogen.")
  9. Jörg Schindler: Reformschule im Zwielicht, TAZ am 7. März 2010
  10. Christoph Ruf: Einem Menschen im feinen Zwirn hat man das kaum zugetraut, Spiegel am 12. April 2010
  11. Amelie Fried: Amelie Fried über die Odenwaldschule: Die rettende Hölle, Frankfurter Allgemeine Zeitung am 14. März 2010
  12. Missbrauch an der Odenwaldschule: Früherer Schulleiter entschuldigt sich, Frankfurter Allgemeine Zeitung am 19. März 2010 ("Schüler, die ich in den Jahren, in denen ich Mitarbeiter und Leiter der Odenwaldschule war, durch Annäherungs­versuche oder Handlungen sexuell bedrängt oder verletzt habe, sollen wissen: Das bedauere ich zutiefst und ich bitte sie dafür um Entschuldigung. Diese Bitte bezieht sich ausdrücklich auch auf alle Wirkungen, die den Betroffenen erst später bewusst geworden sind." Um Entschuldigung bittet Becker in dem Schreiben ebenfalls "Personen und Institutionen, mit denen ich in den vergangenen vierzig Jahren zusammen­gearbeitet habe und die durch mein Verhalten beschädigt worden sind". Obwohl es in den vergangenen Wochen hieß, Becker sei einer Erkrankung wegen nicht mehr ansprechbar, schreibt er nun: "Die von mir vor zwölf Jahren geäußerte Bereitschaft zu einem Gespräch mit betroffenen Schülern wiederhole ich noch einmal."
  13. Christian Füller: Missbrauch an Reformschule: Warum wir ein Odenwald-Tribunal brauchen, Spiegel Online am 15. April 2010
  14. Hartmut von Hentig muss reden, Die Zeit 17/2010 vom 22. April 2010
  15. Odenwaldschule: Keine Anklage gegen Ex-Schulleiter, FAZ am 16. Juni 2010 (Der frühere Schulleiter der Odenwaldschule muss im Skandal um sexuellen Missbrauch keine Anklage mehr befürchten. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilt, wurde das Verfahren wegen Verjährung eingestellt.)

Querverweise

Netzverweise

  • Wikipedia führt einen Artikel über Gerold Becker
  • Die Fragen bleiben unbeantwortet, Badische Zeitung am 10. Juli 2010 (Gerold Becker, Mittelpunkt des Missbrauchs­skandals an der Odenwaldschule, ist tot. Die Aufklärung an der Schule geht dennoch weiter.)
  • Odenwaldschule: Gerold Becker ist tot, TAZ am 9. Juli 2010 (Einen Tag, bevor an der Odenwaldschule eine Wahrheits­kommission über den Missbrauch in den 70er Jahren tagt, stirbt Haupttäter Gerold Becker an einem Lungenemphysem.) (In der Nacht auf Donnerstag ist Gerold Becker gestorben, jener Mann, der die Odenwaldschule von einer Vorzeigeanstalt in eine Spielwiese für Pädophile verwandelt hat. - Gerold Becker war Theologe und übernahm 1972 die Odenwaldschule, die älteste und wichtigste Reformschule Deutschlands. Unter dem charismatischen Schulleiter bildete sich ein regelrechtes "System Becker" heraus. Anstatt Kinder zu Subjekten des Lernens zu machen, wie die Schule versprach, wurden sie zu Objekten von Pädophilen. An der Schule gab es, wie zwei unabhängige Ermittlerinnen feststellten, über 50 Fälle von sexualisierter Gewalt - von Streichelsex bis hin zu harter Vergewaltigung. Becker habe "ein perfides System von Abhängigkeiten" geschaffen, sagte die Laudatorin und ehemalige Schülerin Julia Fischer, kurz nachdem der Tod Beckers bekannt gegeben worden war.)
  • Hartmut von Hentig im Interview: "Voll Neid habe ich auf diesen Mann gesehen, Der Spiegel am 14. März 2010 (Über Jahrzehnte wurde er bewundert, jetzt sind viele bestürzt: Der große Pädagoge Hartmut von Hentig[wp] soll die Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule leugnen und bagatellisieren - und damit seinen Lebens­gefährten decken, den ehemaligen Schulleiter. Gegenüber dem SPIEGEL versucht er eine Erklärung.)