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Gesinnungsfamilie

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Das Schlagwort Gesinnungsfamilie (Gesinnungsbund, Gesinnungsgruppe) bezeichnet das verstärkte Eingebundensein in gemeinschaftliche Aktivitäten innerhalb der eigenen Subkultur als Familien­ersatz im Falle der unzureichenden Mittel und Möglichkeiten zur Familien­gründung. Die Gesinnungs­familie stellt im Kapitalismus ein Konzept zur Lösung des innerhalb der von ihm geprägten Gesellschaft immer häufiger anzutreffenden Problems der sozialen Isolation dar.

Hintergrund

Die Familie bildet im sozial erkaltenden Spätkapitalismus immer mehr die Solidaritäts­grenze des Einzelnen, also diejenige Sphäre, über die seine Mit­menschlichkeit nur noch selten hinauskommt. [...] Was tut also der verunsicherte Kleinbürger angesichts von atomarem GAU, Klima­schäden, Arbeits­losigkeit und Krisenpolitik? Er sucht sich ein gebärwilliges Weibchen, feiert einen feudalen Hochzeits­traum, zeugt weitere Kleinbürger, verschanzt sich in einem burg­ähnlichen Eigenheim, vor dem er vielleicht noch seine National­flagge aufzieht, und fährt pünktlich mit einem allrad­getriebenen Wehrfahrzeug durch feindliches Gebiet ins Büro seines Ausbeuters.

Eine Gesinnungsfamilie verhält sich sehr ähnlich, nur statt auf materieller auf immaterieller Grundlage, das heißt sie pflanzt sich weder natürlich fort noch bildet sie eine Gütergemeinschaft[wp]. Sie basiert lediglich auf einer gemeinsamen Gesinnung, die in der Regel gegen die materiellen Gruppen­bildungen gerichtet ist, die den Normen der Gesellschaft entsprechen. Ein Gesinnungs­bund ist die zweitstärkste Gruppen­bindung in unserer ökonomischen Umgebung. Wer keine Familie gründen kann oder will muss sich eine Gesinnungs­familie suchen - eine Szene, eine Subkultur, irgendeinen Identitäts­pakt - deren Bande umso stärker sind, je weiter sich die Gesinnung von der Allgemeinheit entfernt. Nur so wird jene Abgrenzung und Eingrenzung geschaffen, die nach innen eine gewisse Geborgenheit gewährleistet, also das Gefühl, vertraut, geschützt, gekannt und anerkannt zu sein.

Freundschaften gibt es ja praktisch nicht mehr; sie sind ephemer und unbehaglich. Keiner hat mehr Zeit für sowas, keiner kann und will sich noch an ein halbes Dutzend Menschen binden, die ständig umziehen oder Über­stunden machen oder - schlimmer noch - gar nicht mehr arbeiten. Was bleibt sind Familie und Ehe, die physisch und ökonomisch funktionieren, so dass man für sie weniger Zeit und Verständnis als für Freundschaften opfern muss, ohne ihr Zerbrechen zu riskieren - und eben diese Gesinnungs­bündelei gegen den Zeitgeist, die ja eindeutig zunimmt. Der inzwischen wieder salonfähige Nationalismus in Deutschland hat bei seiner Wiedererstehung seit den 90er Jahren übrigens genau davon profitiert, gegen einen Zeitgeist gerichtet zu sein, der ihn zu problematisieren schien. -

Solche Identifikationsfamilien sind der einzige Weg aus der Isolation, wenn man sich keine Familie leisten kann oder will: so viel soziale Wahlfreiheit hat man also im Kapitalismus; genau so viel und kein bisschen mehr!
Linke Gruppen funktionieren also als soziale Wärmequelle, als immaterieller Familienersatz?

Ja, und wie echte Familien auch stellen sie die Solidaritätsgrenze ihrer Mitglieder dar.

Soll das etwa heißen, es gibt keine Mitmenschlichkeit gegenüber Außenstehenden?!

Es gibt keine Sympathie, kaum Empathie, wenig Verständnis und auch keinerlei Versuche, derartige soziale Qualitäten zu aktivieren. Die Mitglieder der Gesinnungs­gruppe bestärken sich untereinander natürlich vor allem in ihrer Abgrenzung, Distanz und Differenz. Offenheit ist nicht erwünscht, sie würde ja den sozialen und emotionalen Zweck der Vereinigungen nur stören.

Linke Identität: Weltrevolution in der Szenekneipe, Le Bohémien am 1. März 2013[1]

Einzelnachweise

  1. Ein Diskurs unter Marxisten. Im Mittelpunkt steht der unter Pseudonym antwortende "Viktor Vladimirowitsch Starogin". Heraus kommt eine schonungslose Dialektik über die Probleme einer zersplitterten Linken aus ungewohnter Perspektive. Das Gespräch führte Sascha Becker, Blogger des DWR-Autorenkollektivs.