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Herdentier
Der Begriff Herdentier bezeichnet in der Zoologie[wp] Angehörige von Nichtraubtier-Säugerarten, die in größeren Gemeinschaften mit Artgenossen zusammenleben und in der Umgangssprache gleichartig handelnde Menschen.
Der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche[wp] protestierte durch die Etablierung dieses Begriffs als Schlagwort, nachdem er schon seit Ende der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts eine Fülle ähnlicher verächtlicher Wortbildungen ausgeprägt hatte, scharf gegen die herrschende christliche Moralauffassung. Bereits 1879 betitelt er 3, 130 einen Aphorismus: Für die Verächter der "Herden-Menschheit" und 1882 erläutert er 5, 156 entsprechend den Herden-Instinkt und Herden-Gewissensbiss.
Mit besonderem Nachdruck aber verwendet er diese Schlagworte seit seinem Buch "Jenseits von Gut und Böse" (1886). Siehe 7, 130: "Auf der anderen Seite gibt sich heute der Herden-Mensch in Europa das Ansehen, als sei er die einzig erlaubte Art Mensch, und verherrlicht seine Eigenschaften, vermöge deren er zahm, verträglich und der Herde nützlich ist, als die eigentlich menschlichen Tugenden ... Für die Fälle aber, wo man der Führer und Leithammel nicht entraten zu können glaubt, macht man heute Versuche über Versuche, durch Zusammen-Addieren kluger Herdenmenschen die Befehlshaber zu ersetzen ...
Welche Wohltat, welche Erlösung von einem unerträglich werdenden Druck trotz alledem das Erscheinen eines unbedingt Befehlenden für diese Herdentier-Europäer ist, dafür gab die Wirkung, welche das Erscheinen Napoleons machte, das letzte große Zeugnis."
Dazu das bezeichnende Bekenntnis 7, 135: "Wir wissen es schon genug, wie beleidigend es klingt, wenn Einer überhaupt den Menschen ungeschminkt und ohne Gleichnis zu den Tieren rechnet; aber es wird beinahe als Schuld uns angerechnet werden, dass wir gerade in Bezug auf die Menschen der 'modernen Ideen' beständig die Ausdrücke 'Herde', 'Herden-Instinkte' und dergleichen gebrauchen. Was hilft es! Wir können nicht anders: denn gerade hier liegt unsere neue Einsicht."
Somit pointiert er schlagend: "Moral ist heute in Europa Herdentier-Moral: - also nur, wie wir die Dinge verstehen, Eine Art von menschlicher Moral, neben der, vor der, nach der viele andere, vor Allem höhere Moralen möglich sind oder sein sollten."
Aus den zahlreichen Spielarten greife ich beispielshalber noch heraus 5, 293 "Herden-Natur" und "Herden-Nützlichkeit", ferner 7, 130 "Herden-Denkweise" und "Herden-Maximen", sowie 14, 68 "Herdentier-Religion" und 89 "Herdentier-Züchtung" und "Herdentier-Tugenden".[1]
Querverweise
Einzelnachweise
- ↑ Otto Ladendorf: Historisches Schlagwörterbuch (1906)
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Historisches Schlagwörterbuch - Stichwort: Herdentier von Otto Ladendorf, 1906. |