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Die 25-Stunden-Woche

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Die 25-Stunden-Woche (1990)
Buchdaten
Titel Die 25-Stunden-Woche
  Arbeit und Freizeit in einem Europa der Zukunft
Autor Esther Vilar
Verlag Econ
Erschienen 1990
ISBN 3-612-23068-9

Die 25-Stunden-Woche - Arbeit und Freizeit in einem Europa der Zukunft von Esther Vilar erschien zuerst 1990 im Econ-Verlag. Es beschäftigt sich mit einem Modell zur Verkürzung der Arbeitszeit und zeigt die Probleme, die damit verbunden sind. Eine neue Auflage erschien 1998.

Inhaltsverzeichnis

I. Vorwort von Oskar Lafontaine[wp]
II. Plädoyer in fremder und eigener Sache
II. 25 Einwände gegen 25 Arbeitsstunden
  1. Die Wirtschaftsreform stammt von einem Laien, ist also un­wissen­schaftlich.
  2. Das Modell ist realitätsfern, es handelt sich um reine Utopie.
  3. Die Reform gibt Arbeitnehmern einen halben Tag Freizeit, mit der sie nichts anzufangen wüßten.
  4. Die Lösung ist ungenau kalkuliert - bei voller Ausschöpfung des weiblichen Arbeits­kräfte­potentials käme man auf eine Arbeitszeit von sechs Stunden.
  5. Die Reform ist wirtschaftlich nicht tragbar, da die tägliche Ausschöpfung der Produktions­kapazitäten auf fünf Stunden reduziert wird.
  6. Die vorgeschlagene Schichtarbeit erschwert die Verwaltung - Büroarbeit läßt sich nicht in Schichten erledigen.
  7. Die Reform mobilisiert mindestens ein Drittel mehr Arbeitskräfte, verschärft also die bestehende Arbeitslosigkeit.
  8. Die Reform ignoriert die Wünsche der Arbeitnehmer, die eine Verlängerung des Jahres­urlaubs oder die Vier-Tage-Woche einer Verkürzung des Tages­pensums vorziehen würden.
  9. Die vorgeschlagene Lohnkürzung ist undurchführbar - zu wenig Arbeitnehmer wären mit einem drastisch reduzierten Einkommen einverstanden.
  10. Das geforderte Kinder- und Säuglings­pfleger­gehalt kann sich die Wirtschaft der Bundesrepublik nicht leisten.
  11. Die Abschaffung des Pensionierungs­zwangs beschwört die Gefahr, daß die Wirtschaft durch Senilität blockiert wird.
  12. Die Reform benachteiligt Ledige, da es sich in Gemeinschaften billiger lebt.
  13. Die Reform schafft neue Klassen­unter­schiede - zwischen Vor­mittags- und Nach­mittags­arbeitern, Selbständigen und Angestellten.
  14. Die Reform zerstört die Familie, da sie die Ehescheidung zu einer Formalität degradiert.
  15. Das Kindergehalt beschwört die Gefahr, daß Eltern aus finanziellen Überlegungen Kinder zeugen.
  16. Auch bei kürzeren Arbeits­zeiten könnten nicht beide Eltern berufstätig sein, da Kinder ja während der insgesamt vier Monate dauernden Schulferien beaufsichtigt werden müssen.
  17. Der in der Reform vor­geschlagenen Kinder­garten­besuch liegt zu früh - Einjährige sind noch nicht reif für den Kindergarten.
  18. Die geforderte Abschaffung studentischer Privilegien brächte neue Studenten­unruhen.
  19. Die Reform ist sexfeindlich - wenn beide Geschlechter arbeiten, kommt es zu einer Verwischung des Rollen­verhaltens.
  20. Die durch die Reform geförderte Entwicklung geschlechts­typischer Berufe birgt die Gefahr, daß neue "Frauen­lohn­gruppen" entstehen.
  21. Die Reform ist antifeministisch - wenn beide Partner arbeiten, bleiben der Frau noch immer die Hausarbeit und die Beschäftigung mit den Kindern.
  22. Die Reform ist antimaskulinistisch - selbst wenn die unter­schiedlichen Pensionierungs­grenzen aufgehoben sind und die Gefahr von Unterhalts­zahlungen und Renten­splitting gebannt ist, bleibt Männern nach wie vor Wehr- und Ersatzdienst.
  23. Die Reform ist reaktionär - die vorgesehene "soziale Klassen­gesellschaft für Erwachsene" bedingt, daß an Vermögens­verteilung, Leistungs­wettbewerb und Gehalts­progression nichts geändert wird.
  24. Die Reform ist sozialistisch - die vorgesehene "klassenlose Gesellschaft für Kinder" geht auf Kosten der Individualität.
  25. Der prophezeite Rückgang radikaler Tendenzen ist illusorisch - es gibt keinen Grund, weshalb eine Arbeits­zeit­verkürzung zum Abbau des politischen Extremismus beitragen sollte.
IV. Anhang

Klappentext

Im Klappentext heißt es: "Vor zehn Jahren hatte die Bestseller-Autorin Esther Vilar eine Vision: Wenn jeder nur fünf Stunden am Tag berufstätig wäre, könnten eine Menge grundsäzlicher Probleme gelöst werden, von der Arbeitslosigkeit bis hin zu familiären Problemen. Heute sind wir alle der Verwirklichung dieser Vision nähergekommen. Die Autorin hat ihre Thesen neu überarbeitet und in den veränderten politischen und gesellschaftlichen Kontext gestellt. Ein erfrischend unbefangenes und provokatives Buch zu einem Thema, das aktueller ist denn je."

Kommentar der WikiMANNia-Redaktion
Die Wirklichkeit sieht 25 Jahre später ganz anders aus: Viele haben inzwischen mehrere Jobs beziehungsweise üben neben dem Hauptberuf oft noch eine weitere bezahlte Tätigkeit aus. De facto hat sich also eher die Arbeitszeit verlängert. Die Alternative wäre, den allgemeinen Lebens­standard abzusenken und auf einiges zu verzichten. Aber diese Realität sehen manche Träumer(innen) eben nicht.
Eine Verkürzung der Arbeitszeit wäre aber auch ohne Senkung des allgemeinen Lebens­standard möglich, wenn all die Bullshit-Jobs abschafft und die Frauen konsequent in den Arbeitsprozess eingegliedert würden.

Bewertung

Vorstellung der 25-Stunden-Woche

Das 20. Jahrhundert brachte u.a. Automatisierung und beinahe perfekte Geburtenkontrolle mit sich. Daraus resultierte eine weitgehende Befreiung der Frau aus ihrer sozialen Gebundenheit, womit sie zur potenziellen Erwerbstätigen wurde. Neben den Frauen sieht die Vision der 25-Stunden-Woche jedoch auch die Arbeit von Alten und in gewisser Weise auch von Kindern vor. Alle würden nach diesem Modell arbeiten (müssen) - aber alle nur für fünf Stunden am Tag.

Auch wenn es vielen linken Ideologen nicht gefällt, so muss doch zur Kenntnis genommen werden, dass die Verteilung des Privat­eigentums in der BRD einen Sättigungs­grad erreicht hat, der sich kaum steigern lässt. Ein allgemein höheres Lohn­niveau und mehr Mitbestimmung[wp] in den Betrieben bremst die unter­nehmerische Initiative, was sich letztlich negativ auf das Arbeitsplatz-Angebot auswirkt und damit auf die Arbeiter.

Die Zeitverteilung jedoch wurde bisher grob vernachlässigt. Zeit ist das wichtigste immaterielle Gut, welches Marx bei seinen Umverteilungs­plänen übersah. Statt dass wie im Moment sich einige tot­schuften und die anderen sich tot­langweilen, fordert das Modell der 5-Stunden-Gesellschaft Arbeit für alle und damit kürzere Arbeitszeit für alle. Die wesentlichen Punkte der seit 1977 vorliegenden Vision der 25-Stunden-Woche von Esther Vilar sind:

  • Arbeitszeit beträgt nur 5 Stunden.
  • Arbeitszeitkürzung geht mit Lohnkürzung einher.
  • Pensionsgrenzen sind selbst wählbar.
  • Kinder erhalten ein staatliches Kindergehalt.
  • Mütter/Väter können bei vollem Lohnausgleich ein Baby-Jahr in Anspruch nehmen.
  • Statt Ganztagsschulen gibt es nur noch 5-Stunden-Schulen.
  • Universitäten arbeiten im 5-Stunden-Turnus.
  • Die Semesterferien sind normalen dem Arbeiterurlaub angepasst.
  • Recht auf Umschulung statt Recht auf gleichwertige Arbeit.
  • Verbot von Überstunden.

Vilar nennt auch noch ein anderes Konzept, bei dem jeder eine Arbeit hätte: das Modell des Mozart-Planeten. Auf diesem Planeten baut ein Teil der Menschen kreisförmige Straßen, während der andere Teil der Menschen die Straßen wieder einreißt. Um dem Ganzen einen subjektiven (nicht objektiven) Sinn zu verleihen, darf der eine Teil der Menschen nichts von dem anderen Teil der Menschen wissen, was eine totale Kontrolle durch den Staat voraussetzt. Doch dieses Modell ist sicher keine wünschenswerte Alternative, angesichts der Möglichkeiten, die die 25-Stunden-Woche bietet.

Das Modell der 25-Stunden-Woche kann gerade in der BRD eine grosse Chance sein, mit den Problemen fertig zu werden, die sich durch die Mauer­öffnung ergeben haben. Laut den Experten sind in den nächsten Jahren DDR-Übersiedler und deutsch-stämmige Aussiedler in grosser Zahl zu erwarten, wodurch die Arbeits­losigkeit weiter wachsen wird. Auch darum fordern die Gewerkschaften[wp] immer wieder die 35-Stunden-Woche, der jedoch die Arbeitgeber ebenso immer wieder entgegen­halten:

  1. Arbeitszeitverkürzung wird durch Rationalisierungs­maßnahmen aufgefangen, das heißt, an der Arbeitsplatz­situation ändert sich nichts.
  2. Facharbeiter können nicht durch Rationalisierungs­maßnahmen ersetzt werden. Aber freie Facharbeiter-Arbeitsplätze gibt es mehr als genug.

Beide Argumente können leicht entkräftet werden.

  • Zu (1): Rationalisiert wird ohnehin ständig. Und die Arbeitszeit­verkürzung von 40 auf 37 Stunden brachte laut Gewerkschafts­angaben 150.000 neue Stelle und 50.000 verhinderte Entlassungen mit sich.
  • Zu (2): Durch die 25-Stunden-Woche würde das bisher schlummernde weibliche Arbeits­potenzial wachgerüttelt werden, wodurch absolut mehr Facharbeiter zur Verfügung stehen würde.

Das einzige stichhaltige Argument, warum durch eine Arbeits­zeit­verkürzung die Arbeits­losen­zahl steigen würde, wurde weder von der Gewerkschaft noch von den Arbeitgebern genannt. Es sind die Frauen, die bei niedrigerem Zeitaufwand verstärkt bereit wären, zu arbeiten. Das würde die Zahl der Arbeits­suchenden in die Höhe treiben, und sonst nichts. Aus eben diesem Grund müsste dem Plus der weiblichen Arbeiter durch weitere Arbeitszeit­verkürzungen begegnet werden, bis sich etwa bei 25 Stunden in der Woche alle Arbeitsplätze besetzt wären. Mit anderen Worten: Die Arbeitszeit­verkürzungen sind keineswegs so "dumm, töricht und dreist", wie Helmut Kohl meint.

Auch wertemässig wäre derzeit eine Durchsetzung der 5-Stunden-Gesellschaft im Rahmen des Möglichen, denn laut den Umfragen wären viele Jugendliche bereits, gegen ein mehr an Zeit finanzielle Einbussen hinzunehmen. Auch fordern die Feministinnen verstärkt Halbtagesjobs, obwohl diese Forderung zur verstärkten Unterscheidung zwischen Männer- und Frauen­arbeit führt, und nicht zu einer Angleichung (im Bezug auf die Zeit, nicht den Inhalt!). Das Baby-Jahr, dass 1977 noch als utopisch verschrien wurde, ist in der BRD bereits - finanziell beschränkt - durch­gesetzt worden. Und nicht zuletzt gibt es die Partei der "Grauen Panther", die für die Rechte der Alten eintritt, so wie es Vilar im Rahmen ihres Modells forderte.[1]

Begegnung der Einwände gegen die 25-Stunden-Woche

Wie alle grossen Ideen stösst sich auch die Vorstellung der 25-Stunden-Woche mit den Vorstellungen anderer Modelle oder Menschen. Im Wesentlichen sind es 25 Kritikpunkte, die gegen Esthers Vision ins Feld geführt werden, die im Nachfolgenden aber alle entkräftet werden können.

  1. Die Reform stammt von einem Laien.
    Das ist wahr. Aber nicht nur Experten sind in der Lage, die Wirtschaft zu beurteilen, da diese z. T. aus menschlichem Verhalten resultiert, welches generell keiner exakten Analyse zugänglich ist. Aus diesem Grund ziehen einige (US-)Unternehmen auch bisweilen Betriebsfremde zur Rate, um sich so vor Betriebs­blindheit zu schützen. Eine Schriftstellerin wie Vilar lebt ja bis zu einem gewissen Grad von der korrekten Beobachtung des menschlichen Verhaltens, sie ist also gerade Expertin für dieses Ressort. Ausserdem können Schriftsteller auch Dinge zur Diskussion bringen, die Experten lieber verschweigen, weil sie ständig um ihren seriösen Ruf fürchten müssen.
  2. Das Modell ist utopisch.
    Auch das ist bis zu einem gewissen Grad wahr. Doch ohne Utopien gäbe es keinen Fortschritt. Ihre Durchsetzung kann lange dauern, aber wenn sie praktikabel sind, sind sie i.d.R. eine Bereicherung des menschlichen Daseins. Im Falle der 25-Stunden-Woche würde sie das generelle Zwei-Klassen-System auflösen helfen, denn:
    • im Beruf hätte alle Arbeit.
    • alle würde gleichlange arbeiten (bis auf Selbstständige; dazu später mehr)
    • jeder könnte Kinder finanzieren.
    • Scheidungen wären nicht mehr aufgrund finanzieller Probleme blockiert.
    • wie Selbstständige könnten Alte ihr Pensionsalter selbst festlegen.
    Einschränkend muss gesagt werden, dass das Modell tatsächlich utopisch sein kann, nämlich im Bezug auf arme Länder. Es deswegen aber in den reichen Ländern nicht einzusetzen, das wäre irrational.
  3. Mit einem halben Tag Freizeit weiss niemand was anzufangen.
    Lehrer zeigen, dass ein halber Tag Freizeit keine ernsten Probleme wie Alkoholismus, Kriminalität oder Fernsehsucht schüren muss. "Gut", sagen die Experten, "das gilt für gebildete Lehrer. Was aber ist mit den Arbeitern?" Die haben noch weniger Probleme, sich in ihrer Freizeit zu beschäftigen. Ein Intellektueller geht kaum ohne Buch nach Mallorca, ein Arbeiter aber schon. Die meisten Freizeit­angebote wissen die Arbeiter zu nutzen: Wandern, Angeln, Kegeln, Basteln, Stammtisch, usw.
    Durch das Modell wird der Alkoholismus nicht zunehmen, weil mehr Zeit zur Verfügung steht, Probleme zu lösen. Es wird auch die Kriminalität zurückgehen, da sich die meisten Kriminellen aus Heim­kindern rekrutieren, deren Anzahl deutlich abnehmen wird. Und Fernseh­süchtiger zu sein ist immer noch besser, als sich in der Fabrik dumm und dämlich zu arbeiten.
    Und selbst wenn Freizeit so etwas Schlimmes ist, dann ist die derzeitige Situation erst recht nicht gerecht, in der die eine Hälfte schuftet und sich wertvoll fühlen darf, während die andere dahinvegetiert.
  4. Die Reform ist fehlkalkuliert - ein 6-Stunden-Tag wäre angemessen.
    Das stimmt bis zu einem gewissen Grad. In der BRD arbeiten 16,5 Millionen Männer und 10,5 Millionen Frauen, im Schnitt 40 Stunden in der Woche (mit Überstunden und Halbtags­jobs). Würden die restlichen 6 Millionen Frauen plus den 2 Millionen Arbeitslosen arbeiten, dann würden für die gleiche Arbeits­leistung 30,8 Stunden in der Woche pro Arbeiter genügen. Doch diese Stundenzahl lässt sich weiter minimieren, denn:
    • bei 5 h/Tag arbeiten mehr Alte länger, laut Umfragen 43%  von 10 Millionen Rentner.
    • durch höhere Arbeitszufriedenheit geht der Krankenstand zurück.
    • das Leistungstief nach der Mittagspause fällt weg (daher 5 h nötig!)
    • die Qualität steigt, weil weniger Stress vorliegt.
    • das weibliche Arbeiterniveau würde sich dem männlichen anpassen.
  5. Die Produktionskapazität auf 5 Stunden zu beschränken ist unwirtschaftlich.
    Das ist richtig, daher schlägt Vilar ja auch Schicht-Arbeit vor. Statt einmal 8 Stunden am Tag, sind dann betriebliche Ressourcen zweimal 5 Stunden am Tag nutzbar, wodurch die Produktivität sogar steigt, zumal dabei auch noch die Mittags­pausen wegfallen. Nicht zuletzt bringt dass auch noch Vorteile bezüglich der Rush Hour, die durch Schichten gesplittet wird.
  6. Schichtarbeiten sind nicht überall möglich (z. B. im Büro).
    Auch das ist richtig. Doch um die Leistung in nur einer Schicht aufrecht­erhalten zu können, sind bloss 37,5­% neue Arbeitsplätze nötig. Büro­arbeits­plätze sind ja relativ billig, ausserdem entstehen durch sie kaum Fixkosten während der Nicht­benutzung. Das Einzige, was Probleme bereiten könnte, sind die zusätzlichen Räume. Doch bei 5 Stunden kann auch enger beieinander gearbeitet werden. Und außerdem können die überflüssig gewordenen Mensa-Räume u.ä. genutzt werden.
  7. Es gibt er mehr Arbeitslose durch mehr Arbeitswillige nach der Reform.
    Das trifft nicht zu, denn die bestehende Arbeit wird ja entsprechend auf zwei Arbeitsplätze aufgeteilt oder in zwei Schichten bewerkstelligt. Durch das Plus an Freizeit werden zudem viele neue Arbeitsplätze geschaffen, v.a. im Dienstleistungsbereich, der vom Export unabhängig ist. Die Mobilität als zentrale Anforderung für Arbeitssuchende wird wesentlich reduziert, wodurch auch die soziale Entwurzelung relativiert wird. Selbst die heilige Kuh Auto kann dann endlich geschlachtet werden. Ein Grund dafür: Statt eines Rechts auf gleichwertige Arbeit gibt es ein Recht auf Umschulung. Arbeitslose müssen natürlich auch noch dadurch verhindert werden, dass schärfer gegen Überstunden und Schwarzarbeit vorgegangen wird.
  8. Arbeiter wollen lieber 4-Tage-Woche und längeren Urlaub.
    Das mag stimmen. Aber ein längerer Urlaub ändert überhaupt nichts an derzeitiger Arbeits­losen­situation. Die 4-Tage-Woche hat dagegen die Nachteile, dass die Produktivitäts­kapazität unausgelastet bleibt, dass sie nicht im Einzelhandel funktioniert und auch sonst fast alles beim Alten bleibt.
  9. Die Lohnkürzungen sind zu drastisch für die Arbeitnehmer.
    Das ist ein schwieriger Punkt in der Vision. Der Lohnverlust erscheint auf den ersten Blick tatsächlich gravierend zu sein; man verdient fast die Hälfte weniger. Doch diese Tatsache wird durch einen wesentlichen finanziellen Vorteil mehr als nur ausgeglichen: Man arbeitet nur noch für sich, und nicht mehr für finanziell abhängige Personen wie Frauen, Kinder und Alte, da diese ein eigenes Einkommen haben. Dem Ledigen allerdings bleibt unter dem Strich tatsächlich weniger übrig. Falls er unbedingt mehr verdienen will, kann er zum Heer der Selbstständigen übergehen, deren Arbeitszeit gesetzlich nicht zu regeln ist.
    Problematisch ist die Hinführung zur 25-Stunden-Woche. Vilar schlägt vor, zunächst auf alle Lohn­erhöhungen gegen Arbeitszeit­verkürzungen zu verzichten, d. h. auf den zustehenden Wirtschafts­wachstums­anspruch und den sich ergebenden Inflations­raten-Ausgleich. Lohn­erhöhungen wären dann nur noch über Beförderungen zu erreichen. Je weniger der Mann verdient und je kürzer die Arbeitszeit wird, umso mehr Frauen werden zu arbeiten beginnen, bis sich bei 25 Stunden in der Woche ein Gleichgewicht einstellt.
  10. Das Kindergehalt ist nicht finanzierbar.
    Die Reform würde die Regierung weniger kosten, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Wenn wir von 500 DM/Monat pro Kind ausgehen, dass Kinder evtl. gestaffelt von Geburt an bis zum Schulabgang erhalten, macht das bei derzeit 14 Millionen Kindern unter 16 Jahren 84 Milliarden DM. Zieht man davon die 20 Millionen Kindergeld ab, die die Regierung bereits bezahlt, bleiben 64 Mio. übrig. Das ist in der Tat nicht wenig, aber viel mehr kommt auch nicht mehr dazu:
    • Säuglingspflegegehalt: Die Lohnfortzahlung im Baby-Jahr ist mit 600 DM/Monat bereits realisiert, müsste allerdings noch an das volle Lohn­niveau angepasst werden. Die dadurch entstehenden Kosten sind zu vernachlässigen.
    • Krankenpflegegehalt für Kinder: Diese haben die Unternehmen zu tragen, was aber durch den niedrigeren Krankenstand der Beschäftigten mehr als wettgemacht wird. Bei der Betreuung des kranken Kindes wechseln sich Vater und Mutter ab.
    • Mindestgehalt: Dieses liegt derzeit bei 900 DM/Monat für Ausgebildete. Daran muss nichts geändert werden, es entstehen also keine zusätzlichen Kosten.
    Fazit: Die Reform kostet die Regierung ca. 64 Milliarden DM/Jahr, doch angesichts der sozialen Vorteile ist dies ein geringer Preis, v.a., weil die BRD auch über einen Handels­überschuss von 147 Milliarden DM/Jahr verfügt.
  11. Die Wirtschaft wird durch Senilität blockiert.
    Senile Alte müssten auch nach der Reform ihren Platz räumen. Doch Senilität ist meist eine Folge des Heraus­gerissen­werdens aus dem Arbeitsleben, d. h. während des Arbeitslebens eher eine Seltenheit. Natürlich lässt die Körperkraft nach, doch spielt das bei den meisten Berufen keine grosse Rolle. Auch lässt offenbar die Kreativität nach, doch dem haben die Alten ihre unschätzbare Erfahrung entgegen­zusetzen. Nicht ohne Grund sind die meisten führenden Politiker oder Ärzte gestandene Männer, um nicht zu sagen Greise. Durch die Reform könnten auch Werte wie Weisheit und Erfahrung Fuss fassen, sodass die Alten wieder wie vor der industriellen Revolution angesehene Personen wären.
  12. Ledige werden benachteiligt.
    Der Ledige verdient weniger als heute, jedoch wir er nicht benachteiligt gegenüber den Verheirateten. Er muss den gleichen Steuersatz zahlen, nicht mehr wie z. Z. einen höheren. Wie erwähnt, könnte er jederzeit zu den 2,5 Millionen Selbstständigen stossen. Ausserdem sind Ledige mit 10 % der Bevölkerung auch unter­repräsentiert, d. h., wegen ihnen auf eine Reform zu verzichten, die 90 % bevorteilt, wäre asozial. Und wenn man den Ledigen mehr Geld zugestehen würde, dann gäbe es bald nur noch wilde Ehen und Schein­scheidungen.
  13. Es gibt (neue) Klassenunterschiede durch die Reform.
    Nämlich Vormittags- und Nachmittags­arbeiter sowie Selbstständige und Angestellte.
    Der einzige Unterschied zwischen Vormittags- und Nachmittags­arbeit ist der, dass nachmittags weniger Büroarbeit anfällt. Daraus erwächst niemandem ein sozialer "Klassen"-Nachteil.
    Die Klassen Selbstständiger und Angestellter gibt es bereits. Tatsächlich würde die Reform den Unterschied zunächst verstärken, da die Zeitregelung der Selbstständigen nicht gesetzlich regelbar ist und sie infolgedessen u. U. erheblich mehr verdienen. Doch eine Anpassung an die Masse ist auf Dauer zu erwarten, sodass der Unterschied nicht grösser ist, als heute. Übler sind schon die Probleme der Selbstständigen, die den ganzen Tag arbeiten und trotzdem am Hungertuch nagen, z. B. Landwirte. Hier können vermutlich nur Boden­reformen gerechtere Zustände schaffen. Arme Künstler dagegen können nach der Reform vormittags arbeiten und nachmittags ihrer Kunst nachgehen.
  14. Die Reform erleichtert Scheidungen und damit Familien­trennungen.
    Nach der Reform muss niemand bei einem Partner bleiben, nur weil er finanziell abhängig von ihm ist. Das zerstört die Familie, die aber zu diesem Zeitpunkt schon keine richtige mehr war, sondern nur noch eine Zwangs­gemeinschaft, unter der v.a. die Kinder zu leiden hatten. Durch die Reformen werden Scheidungen gerechter, weil sie sich nun auch ein armer Mann leisten kann. Außerdem ist zu erwarten, dass die Scheidungsrate eher kleiner wird, dass sich Mann und Frau nicht mehr so stark aus­einander­leben: Erstens haben sie mehr Zeit füreinander und zweitens muss der Mann nicht alleine immer mehr dazulernen, während die Frau alles vergessen darf.
  15. Kindergeld fördert Kinderreichtum aus finanziellem Eigennutz.
    Irland hat das niedrigste Kindergeld, aber die höchste Kinderrate. Der Grund dafür ist, dass Kinder hauptsächlich für die Alters­versorgung benötigt werden. Je höher die soziale Absicherung, desto niedriger ist die Geburtenrate. Doch nach der Reform wären Kinder keine Belastung mehr, d. h., Abtreibungen würden abnehmen und die Geburtsraten ein wenig zunehmen, was der BRD nicht zum Nachteil gereichen würde.
  16. Wenn beide arbeiten - wer passt dann auf die Kinder auf?
    Vilar plädierte für die Einrichtung von Schulclubs. Hier können ohne Noten und freiwillig künstlerische Fächer u.ä. gelehrt werden, die für das tägliche Leben nicht unbedingt nötig sind. Morgens hätte man 5 Stunden Schule, mittags dann Zeit für die Schulklubs - auch in den Ferien. Voraussetzung dafür wäre, dass zwangs­basierte Hausaufgaben wegfallen und ebenso der Nachmittags­unterricht. Die BRD beweist, dass dies funktioniert; sie hat die niedrigsten Stunden­zahlen, gehört aber zu den führenden Wirtschafts­mächten. Die von den Feministinnen immer wieder geforderten Ganztags­schulen dagegen können das Urlaubs­problem nicht lösen.
  17. Einjährige sind noch nicht reif für den Kindergarten.
    Die Reform unterstützt nur ein einjähriges Baby-Jahr. Das heisst aber nicht, dass danach das Kind in einem Kindergarten abgegeben werden muss. Das ist nur eine Option. Genauso gut kann es den Großeltern gegeben werden, die es nach der Reform nur noch 5 Stunden statt 9 oder 10 Stunden beaufsichtigen müssen. Auch können die Eltern in verschiedenen Schichten arbeiten, und sich so abwechseln mit der Kinderpflege. Die frühe "Schule" im Kindergarten stellt ausserdem eine echte Chancen­gleichheit für alle Kinder dar, da sie so in einer prägenden Zeit von ihrem sozialen Background etwas distanziert werden. Der Kindergarten ist auch eine gute Sozialisierungs­übung, die in den isolierten Familien nicht so gegeben wäre. Prämisse wäre hierbei allerdings eine drastische Steigerung des Kinder­garten-Personals.
  18. Studentenunruhen.
    Die Reform schafft einige Privilegien der Studenten ab, das ist wahr. So werden z. B. die Semester­ferien auf Arbeiter­urlaubs­niveau gekürzt und Stipendien gestrichen. Diese Privilegien entsprechen aber ohnehin einem elitären Denken, welches nicht gerechtfertigt ist. Trotzdem wären Unruhen nach der Reform nicht unbedingt zu erwarten. Durch das Schichtkonzept könnte in Universitäten die doppelte Anzahl von Studienplätzen geschaffen werden, das Studium würde kürzer dauern, die Finanzierung über spezielle Regierungs­kredite oder Schicht-Arbeit finanzierbar und die Professoren treten gegen­einander in Wettbewerb, was die Qualität ihrer Vorlesung erhöhen würde. Das Problem des "Akademiker­proletariats" wäre durch die Reform allerdings nicht zu lösen.
  19. Die Reform ist sexfeindlich, weil sie die Rollen vermischt.
    Wenn nach der Reform tatsächlich Männlein wie Weiblein die gleichen Arbeiten ausführen würden, wäre dieser Einwand gerechtfertigt. Aber warum sollte das geschehen? Die tägliche Erfahrung zeigt uns, dass sich typische Männer- und typische Frauenberufe (z. B. LKW-Fahrer und Kranken­schwester) herausbilden, die Rollen also keineswegs vermischt werden müssen, auch wenn alle arbeiten würden. D. h., die Anders­artigkeit des anderen Geschlechts, aus der letztlich die sexuelle Attraktivität resultiert, bleibt erhalten. Es gilt dann: Alles, was Männer können, müssen Frauen nicht können und umgekehrt.
  20. Frauenberufe werden schlechter bezahlt.
    Das stimmt, so lange die Frauen nicht endlich anfangen, sich wie die Männer gewerkschaftlich zu organisieren. Von 100 Gewerkschafts­mitgliedern sind derzeit nur 20 Frauen. Da leichter Frauen­überschuss herrscht, verfügen die Frauen über mehr Potenzial für Änderungen in ihrem Sinne als Männer, sie müssen sich nur zu solidarisieren lernen. Der Überschuss allerdings hält nicht ewig. Wie Untersuchungen zeigten, leben gestresste Frauen auch nicht länger als Männer.
  21. Doppelbelastung der Frau bleibt auch nach der Reform erhalten.
    Es ist wahr, der Haushalt und die Kinder sind Domänen der Mutter. Allerdings empfinden dies die meisten Frauen auch als Privileg, dass sie sich kaum nehmen lassen werden - denn sie bestimmen dadurch das Aussehen ihrer privaten Umwelt, sei bekommen die Kinder nach der Scheidung und sie bestimmen den Speisezettel. Nicht zuletzt verliert der Hausmann für die meisten (Ehe-)Frauen auch an sexueller Attraktivität, sowie seine Ent­virilisierung zu weit fortgeschritten ist. Was häufig übersehen wird, ist, dass auch Männer der Doppel­belastung unterliegen, denn wer kümmert sich denn i.d.R. um den Garten, das Auto, um Maler­arbeiten, Reparaturen und die Steuer­erklärung?
  22. Die Reform ist antimaskulinistisch - nur Männer machen Wehrdienst.
    Das stimmt, lässt sich aber wegen der größeren Macht der Frauen kaum ändern, zumindest nicht, ohne die Durchsetzung der Reform unnötig zu gefährden. Dabei wäre im Prinzip nichts gegen weibliche Soldaten einzuwenden. Die Zivildienstleister zeigen, dass die Männer das Militär nicht "von Natur aus" lieben, und die zahlreichen Terroristinnen strafen dem fried­liebenden Frauenbild Lügen. Frauen beim Militär würde heissen, doppelt so viele Menschen hätten Angst vor einem Krieg. Die neuen Militär-Techniken würde sie trotz geringerer Körperkraft ohne Probleme beherrschen können. Die Gebärzeit als Ausrede zu gebrauchen, ist absurd, da Frauen ja nicht verpflichtet sind, den Nullipari-Zustand zu ändern.
    Dennoch: Frauen wollen nicht zum Militär und also werden sie es auch nicht tun, ausser evtl. in geringen Zahlen bei einem Berufsheer. Doch das entartet meist zu einer Endstation von Mittellosen, die dann im Ernstfall für die Reichen den Kopf hinhalten müssen. Zudem ist ein Berufsheer auch ein zu sehr abgeschlossenes System, was zu Werten führen kann, die der Staat irgendwann schwer kontrollieren kann (man denke nur an die Geheimdienste).
  23. Die Vermögensbildung wird nicht geändert - das Modell ist reaktionär.
    Nein, das Modell ist in diesem Punkt allenfalls konservativ. Bereits an anderer Stelle wurde erwähnt, dass eine weitere Verteilung von Eigentum die unternehmerische Initiative im Keim erstickt. Ungleiche Bezahlung von ungleichen Menschen für ungleiche Jobs - das ist gerechte Entlohnung. Dort, wo ungleiches Einkommen wirklich ungerecht wirksam ist, nämlich bei der Ausbildung der eigenen Kinder, wird dies durch das für alle Klassen gleiche Kindergeld und gleiche Ausbildungs­system verhindert.
  24. Die klassenlose Kinder-Ausbildung geht auf Kosten der Individualität.
    Die Kinder sind bezüglich ihrer Ausbildung nicht abhängig vom Einkommen ihres Vaters - sie haben also vielmehr die Möglichkeit als früher, ihre eigenen Fähigkeiten und Eignungen heraus­zu­bilden. Seit z. B. Gitarren für jedermann erschwinglich wurden, wurden mehr Gitarren­genies hervorgebracht, als in all den Jahrhunderten zuvor. Und Gitarren­genies sind selten graue Mäuse.
  25. Warum sollte nach der Reform politischer Extremismus zurückgehen?
    Dem System der Terroristen ist durch kein Argument beizukommen. Esthers Vision wird also keinen Terroristen bekehren können. Doch bessere soziale Umstände nehmen Anti-Staat-Koalitionen den Wind aus den Segeln (im Gegensatz zu härteren Sanktions­maßnahmen wie Todesstrafen u.ä.), insbesondere im Bezug auf Neu­rekrutierungen von rechts bzw. links. Und um solche besseren sozialen Umstände zu erreichen, dafür ist das 25-Stunden-Wochen-Modell ja gerade konzipiert worden.[1]

Buchbesprechung

Nach Ansicht von Daniel Schwamm "können Schriftsteller auch Dinge zur Diskussion bringen, die Experten lieber verschweigen, weil sie ständig um ihren seriösen Ruf fürchten müssen."[2]

Leseprobe

nicht verfügbar

Einzelnachweise

Querverweise