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Heiratsvermittlung
Heiratsvermittlung ist eine Dienstleistung durch die heiratswillige Männer und Frauen einen geeigneten Partner für die beabsichtigte Eheschließung finden. Bei einer durch Vermittlung geschlossenen Ehe spricht man von arrangierter Heirat.
Formen
Früher war es eine Kernkompetenz der Familien für ihre Kinder passende Ehepartner zu finden. In traditionellen Gemeinschaften spielt die Familie bei der Heiratsvermittlung immer noch eine zentrale Rolle. Da eine Verschwägerung[wp] durch Eheschluss für viele Familien eine große Bedeutung haben kann, gab und gibt es in zahlreichen Kulturen, so auch in Europa, zur diskreten Erkundung und Sondierung professionelle Heiratsvermittler/innen (Brautwerber, Freiwerber, im Ostjudentum Schadchen). Sie konnte einer eine Braut oder einen Bräutigam suchenden Familie oder einem auf Brautschau[wp] befindlichen jungen Mann eine Beschämung durch Misserfolg ersparen.
Der Heiratsvermittlung dienten gezielt auch zahlreiche Institutionen, wie beispielsweise Bälle[wp] in Adel[wp] und Bürgertum oder sonntägliche Promenaden auf der Hauptstraße der Städte, wovon noch Straßennamen (etwa der Jungfernstieg[wp] in Hamburg) zeugen.
Mit dem zunehmenden Rückzug der Familien aus der Heiratsvermittlung ihrer Kinder übernehmen zunehmend kommerzielle Ehevermittlungsinstitute die professionelle Unterstützung heiratswilliger Menschen, die eine eigene Partnersuche für wenig aussichtsreich oder (bspw. wegen Enttäuschungen oder schlechter Erfahrungen) für zu risikoreich halten.
Abgrenzung zur Zwangsheirat
Bei einer arrangierten Heirat ist Vertrauen zwischen den Heiratswilligen und Heiratsvermittlern entscheidend für eine erfolgreiche Heiratsvermittlung. Die Heiratsvermittler bzw. Familien brauchen viel psychologisches Einfühlungsvermögen bei der Eheanbahnung. Wichtig ist nicht nur ein charakterliches Zusammenpassen der Brautleute sondern auch ein passendes soziales und familiäres Umfeld.
Das Arrangieren einer Heirat führt nicht immer zur vollen Zufriedenheit aller Beteiligten. Sozialer Druck und überzogene bzw. falsche Erwartungen können den Prozess überschatten, was die objektive Entscheidungsfreiheit von Braut und/oder Bräutigam beeinträchtigen kann. Je nachdem wie stark der tatsächliche oder vermeintliche Druck ist, spricht man auch von Zwangsheirat. Da die Motivlage in den seltensten Fällen eindeutig feststellbar ist, gibt es hier einen Graubereich. Viel hängt auch von den Heiratswilligen ab, wie deutlich sie ihre Vorstellungen vom Ehepartner artikulieren und sich selbstbewusst in den Vermittlungsprozess einbringen. Natürlich gibt es auch eindeutige Fälle, in denen eine Braut oder ein Bräutigam zu einer Heirat gezwungen werden. Allerdings ist oft der feine Unterschied zwischen Zwangsheirat oder nicht (so wirklich) gewollter Heirat nicht leicht erkennbar. Menschen, die nicht recht wissen, was sie wollen oder entscheidungsschwach sind, laufen eher Gefahr zu einer Heirat gedrängt zu werden. Es entsteht dann ein Grenzbereich, wo einerseits kein eindeutiger Wille vorhanden ist, andererseits nicht von Zwang gesprochen werden kann.
Nähere Bestimmung
Die Vermittlung der Eheschließung bedeutet nicht zwangsläufig, dass Braut und Bräutigam nicht in den Prozess als solchen einbezogen werden. Wenn die Brautleute beide die Heirat befürworten, kann von einer arrangierten Ehe gesprochen werden, andernfalls handelt es sich um eine Zwangsverheiratung, welche gegen den Willen einer der betroffenen Person durchgeführt wird. Ab wann man von einer Zwangsverheiratung sprechen kann ist dabei in Einzelfällen strittig, zumal es oft so ist, dass die betreffende Person sich ihre Braut bzw. ihren Bräutigam zwar unter einer gewissen Anzahl von passenden "Kandidaten" selbst auswählen kann, es jedoch als obligatorisch gilt, dass sie irgendwann wählt.
Voraussetzung ist, dass Ehelosigkeit - vor allem für Maiden - kaum oder gar nicht akzeptiert wird. So kommt es oft dazu, dass Braut oder Bräutigam einem gewissen psychischen Druck ausgesetzt sind, oder, in seltenen Fällen, auch gezwungen werden, sich (endlich) zu entscheiden, damit die Hochzeit stattfinden kann.
Die arrangierte Ehe kommt in den meisten Kulturen vor. In der "westlichen Welt" jedoch ist sie heute, im Gegensatz zu früher, sehr selten. In vielen südasiatischen Ländern ist sie heute noch die häufigste Heiratsform, insbesondere in Indien, Bangladesch, Pakistan und Sri Lanka.
Global gesehen geht die Zahl der arrangierten Eheschließungen seit Jahren kontinuierlich zurück.[1]
Arrangierte Heirat im aktuellen Kontext
Zitat: | «Arrangierte Ehen und Ehen mit sehr kurzer Kennenlernzeit verlaufen nicht mal schlechter als Heiraten aus Hormongründen.»[2] |
Indien
In Indien spielt die arrangierte Ehe auch heute noch eine sehr große Rolle, wenngleich Liebesheiraten insbesondere in der indischen Mittelschicht, die sich eher an westlichen Sitten orientiert, immer üblicher werden. Üblicherweise folgen arrangierte Heiraten traditionellen Kasten[wp]-Gepflogenheiten, wohingegen Liebesheiraten über Kastengrenzen hinweg gehen können. In der städtischen Mittelschicht ist es heute üblich, dass sich die potentiellen Brautleute im familiären Rahmen kurz treffen und so einen ersten Eindruck gewinnen können. Da die Treffen sehr kurz sind kann hier keinesfalls von Kennenlernen gesprochen werden. Ist der erste Eindruck jedoch negativ, haben die potenziellen Kandidaten ein Vetorecht und die Eltern müssen sich erneut auf die Suche begeben. In ländlichen Gegenden ist ein Treffen hingegen unüblich, hier beschränkt sich das Kennenlernen gewöhnlich auf das Austauschen von Photos und evtl. kurzen Briefen, über die Braut und Bräutigam etwas Persönliches über den Anderen erfahren (Interessen, Hobbys usw.).
In der Tradition der indischen Hochzeit spielt außerdem die Mitgift (Dowry) eine zentrale Rolle. Üblich ist, dass der Vater der Braut die Familie des Bräutigams bezahlt (Geld, Schmuck u. ä.); Vor allem wenn der Bräutigam aus einer sozial höher gestellten Schicht kommt, kann es sich hierbei um enorme Summen handeln (in Ausnahmefällen ein Vielfaches des Jahreseinkommens der Brautfamilie). Da die Familie der Braut ebenfalls die Hochzeitsfeier ausrichtet (und bezahlt), kommt es auch immer wieder vor, dass sich der Brautvater (und seine Söhne) bei einer Hochzeit finanziell ruinieren, weil die Hochzeit (der Kinder beziehungsweise der Schwestern) für viele Inder das wichtigste Ereignis im Leben ist.
Da es immer wieder zu so genannten "Mitgiftmorden" kam (wenn die Brautfamilie den ausgehandelten Preis nicht vollständig bezahlen konnte), hat die indische Regierung das Zahlen von Mitgift verboten (Dowry Prohibition Act[wp] 1961). Das Zahlen des Dowry existiert in allen Kasten und Schichten Indiens. Besonders in der ländlichen Bevölkerung und den weniger Gebildeten ist jedoch die Zahlung einer Mitgift (manchmal verbunden mit der unverhohlenen Forderung derselben) noch eher die Regel als die Ausnahme.[3]
- Martin Bohn: Arrangierte Ehen in Indien: Traditionelle Heiratsvermittlung statt Liebesheirat, 1. März 2010
- Martin Bohn: Heiraten im modernen Indien: Die arrangierte Ehe im High-Tech-Zeitalter, 1. März 2010
Irland
In Irland findet jedes Jahr im Herbst das traditionelle Lisdoonvarna Matchmaking Festival[wp] statt. Ursprünglich fanden sich dort jedes Jahr Bauern ein, um am Rande des großen Viehmarkts mit Hilfe professioneller Heiratsvermittler auf Brautschau zu gehen. Heute besuchen insgesamt mehrere Tausend Singles das Festival, um dort den Partner fürs Leben zu finden.[4]
Der in dritter Generation als "Matchmaker" äußerst erfolgreiche Willie Dally wird seit 2013 in vierter Generation von seiner Tochter unterstützt, die mit Hilfe des Internets Tradition und moderne Technologie verbindet.[5]
Japan
Siehe Wikipedia: Omiai.
Rechtliches
Das deutsche Privatrecht stellt die Bezahlung dieser Dienstleistung, den "Ehemäklerlohn", wegen des hochpersönlichen Charakters der traditionalen Ehevermittlung nicht zu den im Normalfall geschuldeten und einklagbaren Entgelten für Dienstleistungen, sondern ähnlich wie die Spiel- und Wettschulden: Diese muss man gesetzlich nicht bezahlen, kann sie also als Ehemakler auch nicht einklagen. Hat, wer einen Ehepartner suchte, den Ehemäklerlohn aber bereits bezahlt, darf sie/er sie nicht deswegen zurückfordern, weil gar keine Schuld bestanden habe, kann also nicht auf Rückerstattung klagen. Deswegen ist hier Vorkasse[wp] die Regel.
Es kann jedoch auch der Straftatbestand des Betruges vorliegen, nämlich wenn der Vermittler von vorn herein nicht vorhatte, die vertraglich vereinbarte Leistung zu erbringen, sondern nur die Vorkasse einbehalten hat.
Kritik
Professionelle Heiratsvermittler haben in Deutschland aufgrund regelmäßig aufgedeckter Fälle von Betrug und einseitig auf Erzielung von Einnahmen - beispielsweise durch überhöhte Entgelte - den Kunden benachteiligende Vertragsklauseln oder Vortäuschung einer Vertragserfüllung durch die Vermittlung von "Partnern", die für die Vermittlung arbeiten und von vornherein keine Beziehung zu dem Kunden suchen, einen schlechten Ruf.
Bei der Vermittlung von Frauen aus ärmeren Bevölkerungsschichten in Ländern in Ostasien und Osteuropa kann die Heiratsvermittlung in bestimmten Fällen in illegalen Frauenhandel übergehen. Seriös arbeitenden Unternehmen wird dadurch die Arbeit erschwert. Die so genannte Katalogehe[wp] ist damit nicht gemeint.
Künstlerische Behandlung
Eine bekannte künstlerische Bearbeitung des Themas ist in Mitteleuropa die Oper Die verkaufte Braut"[wp] von Bedřich Smetana[wp].
Einzelnachweise
- ↑ Beleg erforderlich
- ↑ P: Die gute Ehe, Das Männermagazin am 19. August 2019
- ↑ Siehe auch Wikipedia: Ehe im Hinduismus
- ↑ GEO Special Irland 2007
- ↑ Elke Sturmhoebel: Matchmaking: Liebesspiele in Lisdoonvarna, Hamburger Abendblatt am 28. August 2010
Netzverweise
- Arranged Marriages and the Rise of Romantic Love - Peter Wright (27. Juni 2016) (Länge: 12:58 Min.)
- In this video Paul Elam looks at the tradition of arranged marriage, while contrasting it to the false sense of superiority Westerners ascribe to relationships based on 'romantic love.'
- In diesem Video befasst sich Paul Elam mit der Tradition der arrangierten Ehe und stellt sie dem falschen Gefühl der Überlegenheit gegenüber, das westliche Menschen Beziehungen, die auf "romantischer Liebe" beruhen, zuschreiben.
- Die Heiratsvermittlung: eine Geschichte der arrangierten Heirat, eDarling 2011