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Gräuelpropaganda

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Gräuelpropaganda oder Kriegspropaganda ist eine Form politischer Propaganda, bei der versucht wird, einen Gegner zu diffamieren, indem man ihm erfundene oder nicht von ihm begangene Untaten bzw. Gräuel zuschreibt oder von ihm unternommene Handlungen bewusst verzerrt darstellt und so skandalisiert. Sie ist ein häufiges Mittel psychologischer Kriegs­führung und kann im Krieg zur Motivation der eigenen Streitkräfte und Bevölkerung oder zur Beeinflussung der Welt­öffentlichkeit eingesetzt werden. Sie dient unter anderem dazu, in der eigenen Bevölkerung die Bereitschaft zum Krieg zu wecken und diesen Krieg auch zu legitimieren. Das ist auch bei dem so genannten Krieg gegen den Terror der Fall.

[Der] Erste Weltkrieg [führte] in vielerlei Hinsicht zu einschneidenden Veränderungen.

Er brachte einen beträchtlichen Wandel in der Position der Vereinigten Staaten in der Welt mit sich. Schon im 18. Jahrhundert waren die USA die reichste Region der Welt. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts kam nicht einmal die britische Oberschicht an den US-amerikanischen Standard hinsichtlich Lebens­qualität, Gesundheit und Lebenserwartung heran (von dem die übrige Welt ohnehin nur träumen konnte). Die USA waren enorm reich, verfügten über gewaltige Vorteile und waren schon Ende des 19. Jahrhunderts mit großem Abstand das wirtschaftlich bedeutendste Land der Welt. Aber als Weltmacht spielten sie noch keine große Rolle. Ihre Macht erstreckte sich damals auf die Karibik und Teile des Pazifik, aber nicht viel weiter.

Der Erste Weltkrieg brachte eine Veränderung dieser Beziehungen. Und im Zweiten Weltkrieg änderten sie sich noch mehr. Danach waren die Vereinigten Staaten mehr oder weniger Herrscher über die gesamte Welt. Aber schon nach dem Ersten Weltkrieg waren sie weitaus mächtiger als zuvor und verwandelten sich aus einem Schuldner- in ein Gläubiger­land. An Großbritannien kamen sie noch nicht heran, aber damals begannen sie, weltweit eine wichtige Rolle zu spielen. Aber das war nicht die einzige Veränderung.


Im Ersten Weltkrieg gab es zum erstenmal eine hoch­organisierte staatliche Propaganda. Die Briten richteten ein Informations­ministerium[wp] ein. Das war auch eine dringliche Notwendigkeit, denn Groß­britannien war darauf angewiesen, die USA in den Krieg hineinzuziehen, da es ohne den Kriegseintritt der USA in große Schwierigkeiten geraten wäre. Das Informations­ministerium beschäftigte sich hauptsächlich mit der Verbreitung von Propaganda, nicht zuletzt mit der Fabrikation einer Flut von Fälschungen über Greueltaten der "Hunnen" und ähnlichen Projekten.

Eine der Hauptzielscheiben dieser Propaganda waren die amerikanischen Intellektuellen. Dem lag die durchaus vernünftige Annahme zugrunde, diese würden am leicht­gläubigsten sein und am ehesten auf die Propaganda hereinfallen. Ihnen war zugleich die Aufgabe zugedacht, die Propaganda über die ihnen in Amerika zur Verfügung stehenden Kanäle weiter­zu­verbreiten. Dementsprechend war die Arbeit des Informations­ministeriums hauptsächlich auf die amerikanischen Intellektuellen abgestimmt, und diese Strategie funktionierte ausgezeichnet.

Ein Großteil der Dokumente des Ministeriums ist inzwischen öffentlich zugänglich, und die Dokumente zeigen, daß diese Kampagne das bescheidene Ziel verfolgte, das Denken der ganzen Welt zu kontrollieren - vor allem aber das der USA. Was man in Indien dachte, spielte demgegenüber natürlich keine sonderlich große Rolle. Das Informations­ministerium war sehr erfolgreich darin, prominente amerikanische Intellektuelle hinters Licht zu führen und dazu zu bringen, die Fälschungen der britischen Propaganda zu akzeptieren. Die Briten waren damals sehr stolz auf diesen Erfolg, und das nicht von ungefähr, denn so konnten sie eine Niederlage Großbritanniens abwenden, das den Ersten Weltkrieg ohne den Kriegseintritt der USA verloren hätte.

Zur selben Zeit wurde in den USA ein Gegenstück zum britischen Informations­ministerium geschaffen. 1916 wurde Woodrow Wilson[wp] auf der Grundlage eines Anti-Kriegs-Programms zum Präsidenten wiedergewählt. Die Stimmung in den USA war sehr pazifistisch. Das hat in den USA eine lange Tradition. Die Leute wollen keine Kriege in anderen Ländern führen. Der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg wurde heftig abgelehnt, und Wilson wurde aufgrund seiner Stellung­nahme gegen den Krieg gewählt. Er war mit dem Slogan "Frieden ohne Sieg" zur Wahl angetreten. Aber er strebte von Anfang an eine Beteiligung am Krieg an.

Daraus ergab sich das Problem, eine pazifistisch gestimmte Bevölkerung in lauter verrückte antideutsche Fanatiker zu verwandeln, die am liebsten alle Deutschen umgebracht hätten.

So etwas geht nicht ohne Propaganda, und so gründete die Regierung die erste - und im übrigen auch einzige - große staatliche Propaganda­institution der US-Geschichte. Sie hieß offiziell "Komitee zur Information der Öffentlichkeit"[wp] und wurde auch die "Creel-Kommission" genannt. Ihre Aufgabe bestand darin, durch die Verbreitung von Propaganda eine hurra­patriotische Hysterie in der Bevölkerung auszulösen.

Das Ganze war ein unglaublicher Erfolg. Binnen weniger Monate herrschte eine hemmungslose Kriegs­hysterie, und dem Kriegs­eintritt der USA stand kein Hindernis mehr entgegen.

Von dieser Leistung waren viele Leute höchst beeindruckt. Einer davon war Hitler, was später seine Folgen haben sollte. In Mein Kampf[wp] zieht er den nicht ganz unberechtigten Schluß, Deutschland sei im Ersten Weltkrieg besiegt worden, weil es den Propaganda­krieg verloren habe. Deutschland konnte mit der britischen und amerikanischen Propaganda, die sich als vollkommen übermächtig erwies, nicht einmal ansatzweise mithalten. Hitler kündigte an, beim nächsten Mal werde Deutschland seine eigene Propaganda­maschinerie haben, und so war es im Zweiten Weltkrieg dann auch. Für uns heute von noch größerer Bedeutung ist der tiefe Eindruck, den diese britische Propaganda­anstrengung auf die amerikanische Geschäftswelt machte, die damals vor einigen Problemen stand: Es gab zumindest formal mehr demokratische Rechte als früher, der Kreis der Wahlberechtigten war erweitert worden, das Land wurde reicher, mehr Menschen hatten die Möglichkeit, am System teilzunehmen, es gab viele neue Einwanderer und so weiter.

Was sollten die herrschenden Schichten angesichts dieser Entwicklungen tun? Es war nun schwieriger, das Land wie einen Privatklub zu verwalten.

Es war jetzt viel wichtiger als früher, zu kontrollieren, was die Leute denken. Public-Relations-Spezialisten hatte es zwar schon hier und da gegeben, aber die PR-Industrie, wie wir sie kennen, gab es noch nicht. Unternehmen wie Rockefeller[wp] stellten vielleicht Leute ein, um das Image der Firma aufzupolieren, aber die riesenhafte moderne PR-Industrie in ihren gigantischen heutigen Dimensionen wurde erst damals in den USA erfunden und war ein direktes Resultat des Ersten Weltkriegs. Führend in der PR-Industrie waren Leute, die sich schon an der Creel-Kommission beteiligt hatten.

Die bedeutendste dieser Figuren, Edward Bernays, stützte sich in seiner Tätigkeit direkt auf die Erfahrungen aus der Creel-Kommission. Nach dem Ersten Weltkrieg schrieb er ein Buch mit dem Titel Propaganda. Der Ausdruck "Propaganda" hatte damals übrigens noch keinen negativen Beigeschmack.

Er wurde erst im Zweiten Weltkrieg zum Tabu, da er mit Deutschland und somit dem Feind in Verbindung gebracht wurde. Aber davor bedeutete "Propaganda" nichts weiter als so etwas wie "Information". 1925 kam also Bernays' Buch Propaganda heraus, und gleich zu Anfang heißt es dort, das Buch mache sich die Lehren des Ersten Weltkriegs zunutze. Bernays schrieb, das Propaganda­system des Ersten Weltkriegs und die Creel-Koonmission, an der er beteiligt gewesen war, hätten gezeigt, daß man "das Denken der Öffentlichkeit ganz genauso dirigieren" kann "wie eine Armee die Körper ihrer Männer dirigiert". Diese neuen Techniken der Reglementierung des Geistes sollten, wie er schrieb, von intelligenten Minderheiten genutzt werden, um dafür zu sorgen, daß der Pöbel nicht auf falsche Gedanken kommt. Mittels der neuen Techniken der Gedanken­kontrolle sei dies jetzt ohne weiteres möglich.

Dieses Buch ist das grundlegende Werk der Public-Relations-Industrie, und Bernays ist so etwas wie ihr Prophet. Er war ein authentischer Liberaler im Stil Roosevelts[wp] oder der Kennedys[wp]. Er koordinierte unter anderem die PR-Anstrengungen zugunsten des von den USA unterstützten Putsches, durch den 1954 die demokratisch gewählte Regierung Guatemalas gestürzt wurde.

Noam Chomsky: Warum die Mainstreammedien "Mainstream" sind, aus dem Buch "Die politische Ökonomie der Menschenrechte", ursprünglich 1997

Heute richtet sich die Gräuelpropaganda nicht mehr gegen die "Hunnen", wie die Deutschen von der angel­sächsische Propaganda genannt wurden, sondern gegen Moslems im Allgemeinen und Iran im Besonderen und auch gegen Putin.

Querverweise

Netzverweise

  • Wikipedia führt einen Artikel über Gräuelpropaganda
  • Wikipedia führt einen Artikel über Propaganda im Ersten Weltkrieg
  • Wikipedia führt einen Artikel über Informationsministerium (Vereinigtes Königreich) (Propaganda im Zweiten Weltkrieg)
  • Wikipedia führt einen Artikel über Begründung für den Irakkrieg, Brutkastenlüge
  • Thierry Meyssan: Das Ende der US-Propaganda naht, Voltaire Netzwerk am 21. April 2015 (Das angel­sächsische Imperium beruht seit einem Jahrhundert auf Propaganda. Es ist ihr gelungen, uns davon zu überzeugen, dass die Vereinigten Staaten "das Land der Freiheit" sind und dass sie nur Kriege liefern, um ihre Ideale zu verteidigen. Aber die gegenwärtige Krise in der Ukraine hat die Spielregeln geändert: Washington und seine Verbündeten sind nun nicht mehr die einzigen, die zu Wort kommen. Ihre Lügen werden von der Regierung und den Medien eines anderen großen Staates, Russland, offen angefochten. Die angelsächsische Propaganda funktioniert im Zeitalter der Satelliten und des Internets nicht mehr.)
  • Hermann Joseph Hiery: Angst und Krieg. Die Angst als bestimmender Faktor im Ersten Weltkrieg. (Textauszug) (England besaß eine spezifische Tradition, seine in der Geschichte häufig wechselnden Gegner herabzusetzen. Bereits im 17. Jahrhundert werden die Franzosen als schlimmer als ungläubige Türken, die Niederlande als zweites Karthago, das es zu zerstören gelte und die Holländer als "vertrags­brüchiger und ehrloser" als die heidnischen Tartaren diffamiert. Dagegen feiert sich England als Befreier Europas: "Europe a slave unless England breaks her chains". Napoleon war in England als Menschen­fresser verfemt, der sich vom Fleisch kleiner Kinder ernährte. Die Tendenz, den Feind als unehrenhaft, als Kriminellen abzustufen, ist bereits vor 1914 ausgeprägt. Zweifellos ist der abschätzige Begriff "Hunne" auch in anderen Ländern benutzt worden; neben Frankreich auch in den Vereinigten Staaten - gegen die Deutschen - und in Deutschland selbst. Die Verwendung des Begriffs "Hunne" in allen diesen Fällen war jedoch eher ein singuläres und peripheres Phänomen, keineswegs durchgängig und schon gar nicht eine langfristig angelegte, zielbewußte Feind­propaganda. Eine solche entwickelte sich erst, als die "Times" am 29. August 1914 in Zusammenhang mit den Vorfällen in Löwen nicht die deutschen Truppen, ihre Generäle oder militärische Führung, auch nicht den Kaiser, sondern die Deutschen per se als Hunnen titulierte. [...] Das Bild des verschlagenen und diabolischen, primitiven und zugleich abscheulichen Hunnen-Deutschen zieht dagegen durch die ganze angel­sächsische Propaganda während des gesamten Krieges, ja darüber hinaus. Mit dem Slogan "Once a German - always a German!" und dem Porträt eines angeblich stereotypen Deutschen mit asiatischen Gesichts­zügen versuchte man noch nach Kriegsende, eine Identität zwischen dem brutalen deutschen Hunnen-Soldaten des Krieges und dem deutschen Zivilisten der Nachkriegszeit herzustellen. [...] Vor allem aber hinter­ließen und produzierten die in angelsächsischen Ländern massenhaft vertriebenen Bilder vom und über den Deutschen als Hunnen eines: Angst. Die Botschaft der Bilder wurde verstärkt durch Nachrichten von den Greueltaten der Deutschen, wie sie in allen britischen Zeitungen und Zeitschriften tagtäglich zu lesen waren. Gerade jener Teil der Presse, der am ehesten von den Arbeitern gelesen wurde, die Sensations­blätter mit dem niedrigsten Preis und den größten Auflagen in Europa, wie etwa die "Daily Mail", gab den Horror­geschichten über die Deutschen freien Lauf. [...] Das Angst­szenario wurde aber nicht nur von der Presse geschürt. Die Geistlichen der anglikanischen Kirche verbreiteten in ihren Predigten durchaus ebenbürtige Schreck­gespenster. Der Prediger P.M. Yearsley aus Wimbledon etwa warnte vor einer erfolgreichen deutschen Invasion Englands. Die Deutschen hätten dann vor, "to destroy every male child". Die hinter der Verbreitung des Phänomens "Angst" unter der britischen Bevölkerung stehende Logik ist unübersehbar. Über die Assoziation mit der Primär­emotion Angst sollte Wut, über Wut Haß hervorgerufen werden. Die vergebliche Hilflosigkeit des Opfers und die Angst vor dem grausamen, anscheinend übermächtigen Gegner konnte über Haß in Widerstand, ja Rache transformiert werden.)
  • Willy Wimmer: Von Hunne zu Hunne, Heise/Telepolis am 7. September 2014 (Ein Kommentar zu den NATO-Beschlüssen und der Rolle der britischen Regierung.) (Britische Propaganda kann einen schon fertig machen, wie wir Deutschen seit unserem verblichenen Kaiser Wilhelm feststellen können und jüngste Beispiele wie bei Milosevic[wp], Saddam Hussein[wp] und Gaddafi[wp] mehr als deutlich machen. Wenn man begreifen will, warum Völker gegeneinander aufgehetzt werden, muss angelsächsische Propaganda zum Nennwert genommen werden. Hillary Clinton hat das jüngst wieder unter Beweis gestellt. Amerikanische Regierungs­mitglieder stehen zwar seit langem bis zu den Knien in Blut, aber haben eine meisterhafte Fähigkeit, andere nach Den Haag[wp] zu bringen. Sie müssen offensichtlich einen Konflikt nach dem anderen lostreten und für sie siegreich zu Ende bringen, um selbst nicht dort zu landen.)