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Künstler

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Künstler ist ein Berufsstand, der für nichts zuständig ist, aber über alles Bescheid weiß. Warum misst man den Ansichten von Schriftstellern, Regisseuren oder Sängern besonderen Wert bei? Warum kommen in Talk-Runden so selten Pizzabäcker, Auto­schlosser oder Möbel­fabrikanten zu Wort? Deren Gedanken wäre vermutlich fundierter als die der gewohnheits­mäßig plaudernden Kreise. Gefährlicher wird es, wenn Kunst sich mit Misanthropie paart. Das 20. Jahrhundert lieferte Beispiele dafür zuhauf. Was haben Brecht[wp], Eisenstein[wp], Gründgens[wp], Neruda[wp], Picasso[wp], Riefenstahl[wp] und Sartre[wp] gemeinsam? Sie alle stellten ihre Begabungen in den Dienst der Totalitären oder fanden sie zumindest bewundernswert. Und nicht nur sie. Hunderte prominenter und Tausende vergessener Künstler beteten Hitler, Mao[wp] oder Stalin[wp] an. Anti­totalitäre Denker wie Karl Popper[wp] oder George Orwell waren seltene und oftmals von ihren Kollegen angefeindete Ausnahmen.

Aus dem moralischen Versagen der Künstler in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben nur wenige etwas gelernt. Noch in den Achtzigerjahren schwor Jörg Immendorff[wp] auf Mao, sang Harry Belafonte[wp] am Hofe Erich Honeckers[wp] und himmelte Luise Rinser[wp] Kim Il Sung[wp] an. Auch im 21. Jahrhundert scheint sich der politische Verstand der Kultur­schaffenden nicht aufzuhellen. Peter Handkes[wp] Milosevic[wp]-Verehrung und Konstantin Weckers[wp] Konzert im Dienste Saddam Husseins[wp] sind nur zwei Beispiele von vielen.

Wer heute erfolgreich Bilder malt, singt oder Romane schreibt, sollte außerdem den "Terror der Ökonomie" oder die "Diktatur des Marktes" anprangern, den Westen für alle Übel dieser Welt verantwortlich zu machen und den Weltuntergang durch Umweltverschmutzung vorauszusagen. So wird aus dem Dichter ein Denker. Dennoch hält sich hartnäckig der Glaube, Künstler könnten besonders wertvolle Beiträge in die politische Diskussion einbringen. Zumindest bei Feuilleton­redakteuren und den Leuten, die Sitzplätze in Talkshows vergeben. Ein Viertel der Eingeladenen sind Theaterleute und Künstler. 21 Prozent sind Kultur­wissen­schaftler und 45 Prozent Literaten und Publizisten. Ökonomen sind mit sechs Prozent vertreten und Naturwissenschaftler kommen kaum vor (drei Prozent).[1]

Einzelnachweise

  1. Josef Joffe, Dirk Maxeiner, Michael Miersch, Henryk M. Broder: Schöner Denken. Wie man politisch unkorrekt ist., Piper Verlag 2008, ISBN 3-492-2536-4; mm, S. 98-99

Querverweise