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Vaterlosigkeit
Der Begriff Vaterlosigkeit bezeichnet das Aufwachsen von Kindern ohne Vater, wenn diese ihre Väter in deren Eigenschaft als männliche Bezugspersonen und natürliche Erziehungsberechtigte durch Tod, totalen Umgangsboykott der Mutter oder einen verantwortungslosen völligen Rückzug des Vaters verlieren. Darüber hinaus kann der Begriff aber auch darauf angewandt werden, dass nach einer Trennung bzw. Scheidung viele Väter faktisch aus dem Leben ihrer Kinder verschwinden, wenn ein Familienrichter den im Residenzmodell üblichen Minimalumgang verfügt. Das Phänomen der Vaterlosigkeit bewirkt bei einer Scheidungswaise oft eine gravierende seelische Verletzung mit lang anhaltenden Folgen, die häufig bis weit in das Erwachsenenalter reichen.
Die Vaterdeprivationsforschung ist seit einigen Jahren weit genug fortgeschritten, um einen Zusammenhang zwischen seelischen und psychosomatischen Störungen, selbstverletzendem Verhalten, Beziehungsstörungen, sozialen Auffälligkeiten bis hin zur Kriminalität, zum Leistungsversagen, zu kognitiven Defiziten und psychosexuellen Identitätsproblemen von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden mit einem erlittenen Vaterverlust anzunehmen. Die protektiven Faktoren, die das Kind konstitutionell mitbringt oder die von einem stützenden Umfeld bereitgestellt werden, können die Folgen mildern, aber das persönliche Leiden nicht aufheben.
Ein schwieriges Thema für Betroffene
Unabhängig davon, ob die Trennung vom Vater initiiert wurde oder, was heute in mehr als dreiviertel aller Fälle zutrifft, von der Mutter ausging, stellt die definitive Vaterentbehrung für alle Beteiligten ein starkes Tabuthema dar. Die Tatsache wird verschwiegen und verleugnet, weil sie von einer heftigen Affektmischung aus Schuldgefühlen, Scham, Demütigung, Verlassensein, Enttäuschung, Wut, Hass und Rachebedürfnissen begleitet wird.[1]
Gefahren der Väterentbehrung
Nach Dr. Walcher hat etwa der Hälfte seiner Patienten ein "Vater-Defizit" im weiteren Sinne, wobei dieses die psychische Erkrankung oft mit verursacht habe. Trennungs- bzw. Scheidungskinder stünden auch als Erwachsene in einem fortwährenden Loyalitätskonflikt. Typisch sei der junge Mann, der an seine allein erziehende Mutter in einer Art Hass-Liebe eng gebunden bliebe, gleichzeitig jedoch lebenslang in der realen oder intrapsychischen Welt nach dem vermissten leiblichen Vater suchen würde. In diesem Zusammenhang verweist Dr. Walcher auf Adoptivkinder, die, vor allem, wenn die biologischen Eltern nicht bekannt seien, ihre Identität suchen würden und immerzu Beweise für ihre Existenzberechtigung finden müssten.
Laut Prof. Dr. Matthias Franz, dem Stellvertretenden Direktor des Instituts für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Uni Düsseldorf, kommen in Deutschland täglich 500 Trennungskinder hinzu. Bei diesen seien das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom[wp], Delinquenz, Drogenkonsum, sonstige Verhaltensprobleme, Asthma, Depressionen, Übergewicht (nur Jungen), und frühe Schwangerschaft 2-3x häufiger als bei Kindern aus intakten Familien. Die Risiken für Jungen lägen höher, weil sie motorisch impulsiver seien, sich scheinautonom von der Mutter ablösten und bei ihnen die Identitätsentwicklung komplexer verlaufe. Bei Fehlen des Vaters neigten sie zu maskuliner Überkompensation, häufig sei ihre Sozialisation dann durch Gewalt, Schweigen, Härte und emotionale Isolation gekennzeichnet.
Der Dipl.-Soz. Robert Schlack vom Robert Koch Institut Berlin beruft sich auf die KiGGS-Studie (dies ist eine Langzeitstudie des Robert Koch-Instituts zur gesundheitlichen Lage der Kinder und Jugendlichen in Deutschland) und sagt ebenfalls, Jungen von allein erziehenden Müttern seien vermehrt übergewichtig. Zudem konsumierten sie mehr Alkohol, rauchten mehr (Mädchen genauso), nähmen mehr Drogen (Mädchen genauso), zeigten mehr Schlafstörungen, psychosomatische Störungen, Depressionen, Ängste, Verhaltensprobleme und seien häufiger Täter oder Opfer von Gewalt.[2]
In einem Buch, das die Beiträge des 2. Wissenschaftlichen Männerkongresses an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf zum Thema "Was sind die Folgen einer Scheidung für Jungen und Männer?" zusammenfasst[3], sagt Schlack außerdem: Jungen aus geschiedenen Beziehungen weisen "mehr Risikoverhalten, mehr psychosomatische Probleme, mehr psychische Auffälligkeiten und weniger verfügbare Schutzfaktoren auf als Kinder aus Kernfamilien mit beiden leiblichen Eltern. Konkret heißt das: sehr viel häufiger Übergewicht, doppelt so hohe Raucherquoten, dreimal so häufig Schlafstörungen, doppelt so häufig emotionale Probleme, soziale Probleme mit Gleichaltrigen und Hyperaktivitätsprobleme. Jungen, die ohne Vater aufwachsen, haben auch später noch ein erhöhtes Depressionsrisiko; die zweithäufigste Todesursache von Jungen ist der Suizid, weit öfter als von Mädchen."
Der schon oben zitierte Mediziner und Psychiater Matthias Franz schreibt: "Abgesehen von den Problemen, mit denen alleinerziehende Mütter konfrontiert sind, können sie den für Jungen wichtigen Erziehungsbeitrag des Vaters nicht kompensieren. Väter sind unersetzbar bei der Rollenfindung des Jungen. Nur sie können ihm bei der sexuellen Identifikation den Weg weisen - wenn das die Mütter versuchen, bekommen die Jungen Angst."
Dr. Frank Dammasch, Psychoanalytiker für Kinder und Jugendliche sowie Professor an der Uni Frankfurt, führt diesen Gedankengang noch weiter: "Ein liebevoller und schützender Vater bietet dem Jungen einerseits ein wichtiges Identifikationsangebot und begrenzt andererseits durch seine Anwesenheit die narzisstischen Größenfantasien des heranwachsenden Jungen." Es falle vaterlosen Jungen deutlich schwerer, zu akzeptieren, dass ihr eigenes Selbst Grenzen hat, da sie sich nicht mit einer väterlichen Autorität auseinandersetzen könnten. Dies führe dann vor allem zu Konflikten in der Schule, wo die Jungen gerade zu Beginn ihrer Schullaufbahn wieder nur auf weibliche Erzieher treffen. "Viele dieser Jungen bringen die Lehrerinnen mit ihrem großspurigen und aggressiv anmaßenden Verhalten gegen sich auf." Wenn der Vater als "ödipaler Begrenzer“ fehle, fänden ödipale Begrenzungskonflikte dann in der Schule statt (jeder Lehrer kennt die vaterlosen "Chaoten/Rabauken"). Ohne Vater bleibe die männliche Identität brüchig, insbesondere gelänge die Affektregulation nur unzureichend und dem "Über-Ich[wp]" fehle der Halt. Ohne Vater zeigten Jungen oft selbstschädigende Passivität bezüglich Leistungsanforderungen und neigten zu exzessivem TV-, PC- und Internet-Konsum (hier würden sie virtuelle Selbstwirksamkeit mit scheinbar grenzenloser Befriedigung erleben).
Auch Matthias Franz konstatiert, wie negativ es sei, dass vaterlose Jungen außerhalb der Familie kaum männlichen Identifikationsfiguren begegnen würden: "In Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen findet sich vorwiegend weibliches Personal. Die frühen Sozialisationsräume sind feminisiert. Die Versuche von Jungen, sich männlich zu orientieren und herauszufinden, was Männlichkeit positiv bedeuten kann, laufen also auch außerhalb der Schule ins Leere. Dieses Vakuum wird häufig mit Gewalt, Drogen, Vandalismus oder Pornographie pseudogefüllt."
Zum Thema "Konfliktfähigkeit und Gewaltneigung" verwies die Dozentin für Entwicklungspsychologie und Leiterin der Forschungsgruppe für Kleinkinderpsychologie der Universität Toulouse Le Mirail, Chantal Zaouche-Gaudron, auf eine Untersuchung von Hélène Ricaud-Droisy. Hierbei wurden drei Jahre lang die Konflikte zwischen Schülern auf dem Pausenhof einer Grundschule beobachtet. Die Eltern mussten sehr detaillierte Fragebögen ausfüllen, um herauszufinden, welche Rolle die Väter bei der Erziehung der Kinder spielen. Eine aktive Rolle des Vaters und Erziehungsmaßnahmen, die sich von denjenigen der Mütter unterscheiden, würden dazu führen, dass Kinder eher in der Lage seien, Konflikte ohne die Hilfe von Erwachsenen zu lösen. Außerdem wären sie im Umgang mit ihren Mitschülern weniger gewalttätig und setzten bei der Konfliktlösung eher auf den Dialog. Frau Zaouche-Gaudron, die in Europa als Spezialistin im Bereich der Erforschung der Rolle des Vaters bei der Kindererziehung gilt, findet dieses Ergebniss durch ihre Beobachtungen bestätigt. Sie untersucht die unterschiedlichen Verhaltensweisen von Vätern und Müttern beim Spiel mit ihren Kindern. Hierzu lässt sie Familien gemeinsam und ohne Vorgaben spielen und beobachtet sie aus einem Nebenzimmer.[4]
Die Risiken in Zahlen
Bereits 1987 hat die Jugendrichterin Elisabeth Schröder-Jenner über Jugendliche als Kinder alleinerziehender Mütter vor dem Jugendwohlfahrtsausschuss festgestellt, dass hierzulande ähnliche Entwicklungen zu beklagen seien wie in den USA. Dort stammten - nimmt man die Ergebnisse verschiedener Studien zusammen - nahezu zwei Drittel aller Vergewaltiger, drei Viertel aller jugendlichen Mörder und Drogenabhängigen sowie wegen Einbruchs und Raubüberfällen, schwerer Verkehrsdelikte und ähnlicher Vergehen in Straf- und Erziehungsanstalten Inhaftierten aus vaterlosen Ein-Eltern-Familien. Auch psychologische Beratungsstellen für Eltern und Kinder schlugen damals Alarm. Immer mehr Kinder alleinerziehender Mütter bezahlten den Verlust ihrer Väter mit Lebensängsten, die sich in hilfloser Zerstörungswut und zwischenmenschlichen Bindungsschwächen niederschlügen.
Hierzu exemplarisch Zahlen aus empirischen Untersuchungen in den USA[5]... Laut dieser Erhebung sind
- 63 % der jugendlichen Selbstmörder
- 71 % der schwangeren Teenager
- 90 % aller Ausreißer und obdachlosen Kinder
- 70 % der Jugendlichen in staatlichen Einrichtungen
- 85 % aller jugendlichen Häftlinge
- 71 % aller Schulabbrecher
- 75 % aller Heranwachsenden in Drogenentzugszentren
Kinder alleinerziehender Mütter.
Matthias Matussek stellt fest:[6] Kinder, die ohne Väter aufwachsen, sind
- 5mal mehr gefährdet, Selbstmord zu begehen
- 32mal mehr gefährdet, von zu Hause wegzulaufen
- 14mal mehr gefährdet, Vergewaltigung zu begehen
- 9mal mehr gefährdet, frühzeitig aus der Schule auszusteigen
- 10mal mehr gefährdet, Drogen zu nehmen
- 9mal mehr gefährdet, in einer Erziehungsanstalt zu landen
- 20mal mehr gefährdet, sich im Gefängnis wiederzufinden
- 33mal mehr gefährdet, ernstlich körperlich misshandelt zu werden
- 73mal mehr gefährdet, Opfer tödlichen Missbrauchs zu sein.
Eine Studie aus "down under"
Kinder brauchen für eine ideale Entwicklung möglichst beide Eltern. Unter Mitwirkung des Wissenschaftszentrums Berlin wurde eine Studie über Väter in Australien durchgeführt. Ergebnis: Extrem lange Arbeitszeiten von Vätern schaden besonders den Söhnen. Die fünf Söhne von Sibylle Langenkamp aus Berlin sind weitgehend ohne Vater aufgewachsen. Die Mutter meint:
Zitat: | «Wer sich als Frau bemüht, auch und besonders den Söhnen gerecht zu werden, merkt irgendwann, dass ein Vater eben doch nicht ersetzbar ist.
Es gibt eben einfach Bereiche, wo man als Mutter an Grenzen stößt, Sport, Technik oder eben ganz alltagsrelevante Dinge, ob der Vater oder die Vaterfigur auf der Toilette steht oder sitzt, das sind alles Dinge, wo ich sage okay, das sieht man eben nur bei einem Mann, das kann man als Mutter einfach nicht leisten.» |
Besonders Söhne leiden, wenn die Väter lange arbeiten oder im Alltag sogar ganz fehlen. Allein am fehlenden Vorbild auf der Toilette lässt sich das das Leiden natürlich nicht festmachen. Aber eine neue Studie, die 1400 Kinder zwischen fünf und zehn Jahren mehrere Jahre lang beobachtet hat, zeigt deutliche Defizite - vor allem bei männlichen Nachkommen. Auch wenn die Studie in Australien durchgeführt wurde, würden die Ergebnisse in Deutschland wohl ähnlich ausfallen, vermutet Jianghong Li, die Leiterin der Untersuchung vom Wissenschaftszentrum Berlin. Kinder zeigten deutlich mehr Verhaltensprobleme, wenn sie nicht ausreichend mit einem gleichgeschlechtlichen Elternteil interagieren können, wobei die Auswirkungen eines weitgehend abwesenden Vaters bei Jungen wesentlich auffälliger seien als bei Mädchen.
Zitat: | «Besonders das Vater-Sohn-Verhältnis ist sehr wichtig, mit Jungs etwas zu unternehmen ist sehr wichtig für ihre Entwicklung, sportliche Aktivitäten, angeln gehen, Camping, Spiele spielen, die müssen sich austoben und ihre Energie loswerden können, und wenn sie solche Dinge nicht machen können, dann frustriert sie das.» |
Typische Jungs- oder typische Mädchenaktivitäten sind für die Wissenschaftlerin keine Klischees, sondern geschlechtsspezifische Bedürfnisse, die von den Eltern bedient werden sollten. Die Frustration ihrer Söhne hat deshalb auch Sibylle Langenkamp bereits gespürt. Dennoch habe sie als Frau einfach andere Interessen als Männer - oder eben auch Jungs:
Zitat: | «Ich kann eben nur von mir sagen, dass ich eben häufig doch keine Lust habe, auf der Straße einfach mal stehenzubleiben, weil da eben ein Maserati oder Ferrari steht, auch wenn das toll anzugucken ist, mir ist das egal. Meine Söhne würden dann vielleicht gerne dieses Interesse mal teilen.» |
Wenn sie das nicht können, weil der Vater nicht da ist und die Mutter auch auf einem Fußballplatz oder vor dem Computer eben doch eine Mutter ist und kein Vater, kann das zu auffälligem Verhalten der Jungen führen. Wenn zudem körper- und kraftbetonte Aktivitäten zwischen Vater und Sohn fehlen, sieht die Studie darin ein weiteres Problem. Jianghong Li:
Zitat: | «So etwas führt zu einem aggressiven und einem Täter-Verhalten, damit ist gemeint: Leute schlagen, Gegenstände kaputtmachen, Leute beschimpfen, also nach außen gerichtetes Verhalten. Einige wenige Jungs in unserer Studie reagierten nicht aggressiv, sondern zogen sich zurück, das nennen wir nach innen gerichtetes Verhalten.» |
Das kann Sibylle Langenkamp bestätigen. Einer ihrer Jungs zog sich zurück, die anderen vier kabbelten und prügelten sich - hauptsächlich untereinander. Unbewusst hätten allerdings alle eine Vaterfigur gesucht.
Zitat: | «Ich habe beobachtet, dass Männer der passenden Generation gesucht werden von den Söhnen, gesucht werden von den Jungs, dass sie sich teilweise eher an die Väter von Spielkameraden, an die Väter meiner Freundinnen gehangen haben und dahingehend orientiert haben, dass sie sich dann auch eine Vaterfigur versucht haben zu suchen. Und das ist alleine schon ein Zeichen dafür, dass es eben doch nicht so einfach ist, dass ein Vater eben unersetzlich ist.» |
Bei Söhnen sieht man die Auswirkungen eines abwesenden Vaters deutlicher, bei Mädchen schwächer, aber eventuell dann später, vermuten die Wissenschaftler. In Australien arbeiten fast 20 Prozent der Väter mit kleineren Kindern länger als 55 Stunden, in Deutschland immerhin 15 Prozent. Welche Auswirkungen besonders lange Arbeitszeiten von Müttern auf ihre Kinder haben, wurde nicht erforscht. Es gab einfach nicht genug entsprechende Mütter für eine repräsentative Untersuchung.[7]
Krawall in Tottenham
Der amerikanische Historiker Gary North nennt als Ursachen für die Randale in England unter anderem den "vom Staat subventionierten kompletten Zusammenbruch der Familien" und "junge Männer ohne Wurzeln und ohne Väter zuhause".[8]
Jugendbetreuer Clasford Stirling:
- "Wir sehen im Leben junger Männer die gewaltigen Folgen des Mangels an männlichen Vorbildern."
Stirling beschreibt das Ausmaß der Familienzerstörung und dem Fehlen männlicher Erziehung:
- 59 Prozent der afrokaribischen Kinder wachsen in Tottenham bei alleinstehenden Müttern auf.
- Die Eltern sind meist nicht verheiratet.
- Die Kinder werden beim Gelegenheitssex gezeugt.
- Der Vater ist nicht präsent, Anwesenheit wird von ihm auch nicht erwartet.
- Großfamilien-Netzwerke, die ersatzweise einspringen könnten, gibt es nicht.
- An den Grundschulen Tottenhams findet man praktisch keinen männlichen Lehrer.[8]
Vaterlosigkeit und Demontage der Gesellschaft
Zitat: | «Alexander Mitscherlich[wp] warnte vor der "vaterlosen Gesellschaft". In ihr gebe es keinen Zusammenhalt mehr, da jeder um sein eigenes Überleben ringe - für Moral und Zurückhaltung sei kein Raum mehr, wolle man nicht selbst untergehen. Die Menschen handeln nicht mehr aus eigenem Vermögen, sie re-agieren nur noch auf die Zumutungen der gesichtslosen Gesellschaft. Daß hierbei die Grundlage des friedlichen Zusammenlebens zerstört wird, ist die wahre Tragik der Demontage echter Autoritäten. Funktionierende Gesellschaften pflegen einen fairen Austausch materieller und immaterieller Güter und achten das Eigentum. Die Bilanz von Geben und Nehmen prägt auch die Verhältnisse der intimen Atmosphäre einer Familie. Wo die Vermögensbuchhaltung durch Eingriffe von außen gestört wird, erodieren Verantwortungs- und Mitgefühl der Gruppenmitglieder. Damit wird das Ende des fruchtbaren Miteinanders eingeläutet, das Gegeneinander beginnt. Niemand betreibt das mit Absicht, im Gegenteil: jeder leidet darunter.» - Karin Pfeifer-Stolz[9] |
Vaterlosigkeit und Demokratie
Zitat: | «Die Väterlosigkeit wird an der weit verbreiteten Ratlosigkeit des richtigen Verhaltens, an der allgemeinen Ablehnung unangenehmer, aber notwendiger Maßnahmen, an der Unfähigkeit, Grenzen zu setzen, an der Ablehnung von Einschränkungen und dem regelmäßigen Protest gegen notwendige, aber unangenehme Einsichten beschrieben. Damit wird Väterlosigkeit zu einer Gefahr der Demokratie, wenn die Opposition nicht mehr wirklich sachorientiert motiviert ist, sondern unangenehme Einsicht und schmerzvolle Konsequenzen verhindern will.» - Dr. Hans-Joachim Maaz[10] |
Die Geschichte eines 18jährigen Jungen - aufgeschrieben von Astrid von Friesen
Wir klagen euch Erwachsene an! Wo ward ihr, als unsere Eltern uns Kinder zerrissen haben in ihrem Wahnsinns-Scheidungs-Krieg, der 12 Jahre dauerte und wirklich ein Krieg war? Wo waren die Richter und Sozialarbeiter, wo die Gutachter, die uns zwar ein Dutzend Mal befragt haben, aber nie etwas änderten, obwohl unser Vater immer das Sorgerecht hatte!
Was habt ihr Großeltern eigentlich getan? Die Eltern unseres Vaters durften wir nie sehen, sie starben ohne uns wirklich zu kennen. Aber die Eltern meiner Mutter: Ihr kanntet sie doch? Sie waren doch lieb! Ihr wolltet uns alleine für Euch, nie habt ihr eurer Tochter gesagt, dass sie unsere Menschenrechte mit Füßen tritt. Habt ihr sie eigentlich gar nicht moralisch erzogen? Nie habt ihr für uns Enkelkinder gesprochen, nicht ein einziges Mal. Wo waren die Patentanten und -onkel, die bei unserer Taufe versprochen hatten, sich um uns zu kümmern? Die unserer Mutter nicht abverlangten, dass wir nur alle 14 Tage ein kurzes Wochenende unseren Vater sehen durften. Ohne Stress wollten wir zu ihm, ohne ihre Migräne als Bestrafung, ohne ihren verkniffenen Mund, ohne tosendes Schweigen, ohne Drohungen, die Katze zu töten, wenn wir das nächste Mal zum Vater wollten... Ohne die brutale Weigerung unserer Mutter, die paar wenigen Tage die Kaninchen zu füttern, weswegen meiner kleinen Schwester fast das Herz brach... Vater oder Kaninchen? Leben oder Tod? Sie war ja erst sieben und liebte ihre Tiere über alles. Und liebte unseren Vater ebenso. Wo waren die angeblich so kinderlieben Krippenerzieherinnen? Wo die Kindergärtnerinnen? Warum waren sie nicht für uns Kinder da, haben für uns Partei ergriffen, für das Recht alle Verwandten sehen zu dürfen? Haben sich lieber raus gehalten. Feige waren sie, sonst nichts. Und die Lehrer? Die müssen doch wissen, dass geschiedene Eltern keine Post weiter geben, das passierte doch bei zehn Kindern in meiner Klasse. Sie müssen aus den Akten gewusst haben, dass er das Sorgerecht besitzt. Sie haben niemals Vater mitgeteilt, wenn wir ein Schulfest feierten und ich eine tolle Rolle bei "Peterchens Mondfahrt" spielte oder meine Schwester bei der Ballettaufführung tanzte, so dass Vater uns hätte sehen können. Er wäre so stolz gewesen und hätte es - wie immer - uns auch gesagt. Auch die Pfarrer haben nicht allen mitgeteilt, dass ich konfirmiert wurde! Ich durfte es nicht sagen, weil meine Mutter mein Versprechen erpresst hatte, niemanden zu unterrichten. Deswegen wussten es auch meine väterlichen Großeltern nicht, auch meine Cousins kamen nicht, die Hälfte meiner Familie durfte nicht dabei sein. Ich habe mich geschämt, weil meine Familie so klein war. - Wie damals im Kalten Krieg, nachdem die Mauer zwischen Ost- und Westdeutschland errichtet wurde und die DDR-Verwandtschaft immer nicht kommen durfte. Ich fühlte mich wie amputiert. Fast alle Kinder hatten vier Großeltern dabei, manche noch mehr, wenn die geschieden und wieder verheiratet waren. Ich hatte nur zwei. Und die machten auch noch blöde Sprüche. Obwohl sie die anderen Großeltern 12 Jahre nicht gesehen hatten. Und die konnten sich gar nicht wehren, weil sie absolut nichts wussten. Ich hasse diese Konkurrenz! Warum haben die Ärzte nicht meinen Vater unterrichtet, als ich sechs Wochen im Krankenhaus lag und mich nach seinem Besuch sehnte. Meine Mutter behauptete einfach, dass sie allein das Sorgerecht hätte. Niemand kam auf die Idee, dass sie lügt. Erwachsene können ganz schön dumm sein. Den Ärzten und allen anderen hat sie direkt ins Gesicht gelogen, immer. Oft habe ich mich gefragt, wie viele Eltern das wohl tun? Denn fast ein Drittel der Kinder in meiner Klasse sind geschieden. Warum habt ihr uns so alleine gelassen mit ihr, uns eine Hälfte des Lebens, der Herkunft, meiner Familie genommen? Viele Menschen suchen nach ihren Wurzeln und geben dafür viel Geld aus. Ich wurde von meinen Vater-Wurzeln krass abgeschnitten. Meine Ohnmacht war quälend, fast jeden Tag, nicht mit meinem Vater telefonieren zu dürfen, keine Päckchen von ihm zu erhalten. Wir haben trotzdem immer gewartet auf ihn, auch wenn wir wussten, er durfte und konnte nicht. Warten, warten, warten - mein Leben bestand aus Warten und Hoffen. Meine kleine Schwester und ich durften oft nur vier Tage im Jahr zu ihm und keineswegs die Hälfte der Sommerferien, jedes zweite Weihnachten, auch nicht zu Ostern und nie in den Herbstferien, nie mit ihm verreisen. Meine Mutter gab uns nie die Kinderausweise mit, auch keine Kleidung zum Wechseln. Obwohl die Richter jedes Jahr die Ferien fest setzten; aber sie hielt sich einfach nicht daran. Mit den Eltern eines Freundes durfte ich mit 13 Jahren nach Holland, obwohl meine Mutter die Leute kaum kannte. Mit meinem Vater durften wir niemals verreisen. Weihnachten habe ich in 18 Jahren wohl nur sechs Mal mit ihm verbracht, obwohl er den tollsten Baum schmückt und Dutzende von kleinen Tieren, die zur Krippe gehen, aufstellt. Er nimmt dazu einfach die Tiere, die während des Jahres bei seiner Eisenbahn stehen. Das ist witzig. Nie durfte er mir zum Geburtstag gratulieren, nie konnte er mir Skifahren beibringen, obwohl er darin ein Ass sein soll. Nie habe ich das Haus meiner Großeltern gesehen, als läge es im Himalaja und nicht 300 km entfernt in Niedersachsen. Jetzt sind sie tot und ich kann mich an sie nicht erinnern. Wir konnten nie Pläne schmieden. Meine Mutter hat ihn von der Haustür - nach 400 Kilometer Fahrt - wieder weggeschickt und behauptet, dass wir nicht da seien. - Einmal habe ich vom Fenster aus gesehen, wie er im Auto weinte und die lange Fahrt wieder zurückfahren musste, ohne uns. Ich weinte auch. Aber ich habe mich nicht getraut anzurufen, weil unsere Mutter die Telefonkontakte kontrollierte, alles kontrollierte. Und sonst drei Tage gemeckert oder, schlimmer noch, eisern geschwiegen hätte. Das habe ich nicht ausgehalten. Und meine Schwester bekam dann immer Durchfall und Bauchweh. Das hat Mama dann wieder auf den Vater geschoben. Wir konnten ihr aber nicht sagen, dass es wegen ihr war. Oder wegen der Sehnsucht. Meine kleine Schwester weinte dann nachts oft. Ich habe sie versucht zu trösten. Aber eigentlich war sie nicht zu trösten. Später, in der Pubertät[wp], hat meine Schwester unseren Vater gehasst. Brutal gehasst. Und wenn ich dann sagte: Aber er durfte uns doch nicht sehen, er hat sich doch so bemüht, dann hat sie behauptet, dass das nicht sein könnte. Er hätte zum Gericht gehen müssen, ein Richter hätte ihm bestimmt geholfen. Ich antwortete: Aber er war doch oft beim Gericht, ich hätte doch dort so oft aussagen müssen ... jedes Jahr wieder neu, das hat sie mir einfach nicht geglaubt. Obwohl sie es selbst ganz genau richtig wusste. Denn wenn ich vom Gericht zurückkam, war ich immer gestresst und meine Mutter hat tagelang Terror gemacht. Vorher immer netten Terror, indem sie uns ständig damit belegte, was wir Gutes über sie sagen sollten. Hinterher bösen Terror. Sie war nicht von ihrem Hass weg zu bringen, obwohl sie unseren Vater geliebt hatte und er nie was Böses getan hat. Weder ihr noch uns. Und sie ihn wegen eines anderen Mannes verlassen hat, der aber doof und bald wieder weg war. Ich glaube echt, sie hat eigentlich sich gehasst, weil sie Vater verlassen hat. Frauen sind so verqueer! Meine Schwester hat ihn dann irgendwann auch gehasst, weil sie ihn nicht lieben durfte. Wie meine Mutter. Frauen sind komisch. Aber der Hass ging in die falsche Richtung. Denn wir konnten doch unsere Mutter nicht hassen, sonst hätte es zu Hause eine Explosion gegeben. Ich glaube, sie hat mehr die Situation gehasst. Aber weil man nicht eine abstrakte Sache hassen kann, hat sie das auf unseren Vater geschoben. Der konnte aber nichts dafür. Der war verzweifelt und hat gekämpft wie ein Löwe für uns. Und ist auch krank geworden, weil er immer verloren hat: Uns und alle Ferien, alle Weihnachten, alle Ostern, alles immer verloren. Und dann die Kindertherapeuten. Was haben die gemacht? Nichts! Wie kann man ein Kind therapieren, welches darunter leidet, dass es seinen Vater nicht sehen darf? Alles Quatsch. Sie hätten es durchsetzen sollen, und ich wurde zu dreien von ihnen geschleppt. Sie hätten meine Mutter therapieren sollen, damit sie es uns erlaubt, ohne Terror und ohne zu sagen, dass alle Männer Schweine sind. Ich wohl auch, was? Was soll ich schon werden, außer einem "Männerschwein". Ach ja, ich kann noch ein "Versager" und ein "emotionaler Krüppel" werden. Super! Da freue ich mich direkt auf das Erwachsenenleben! Ich klage alle Erwachsenen an, die nicht hin gucken, denen Kinder egal sind. Wir Kinder wurden zerstört und zerrissen vor euren Augen oder sie waren kalt, stellen auf Durchzug, weil die Eltern Stress machen. Wir Kinder sollen uns immer entscheiden: Wen liebst du mehr, mich oder Vater? Scheißfrage! Wisst ihr nicht, dass diese Frage unsere Herzen kaputt macht, wenn ihr uns auffordert, uns selbst zu verraten, unsere Gefühle, unsere Sehnsüchte, unsere Bedürfnisse? Anstiftung zum Verrat! Das ist das Schlimmste, habe ich mal in einem Buch über Indianer gelesen. Warum seid ihr Erwachsenen denn solche emotionalen Chaoten, dass ihr nichts auf die Reihe bekommt? Keine Ehe und kein Ende einer Beziehung. Ich dachte, ihr hättet euch mal geliebt? Warum dann der Hass auf unsere Kosten? Steht doch in jedem blöden Ratgeber, dass Eltern immer Eltern bleiben sollen. Da steht nicht drin, dass das tausendfach nicht klappt, weil ihr unfähig seid, hysterisch und uns lieber kaputt macht, als vernünftig zu werden. Es gibt keine Kinderratgeber gegen blöde Eltern! Wir sind nicht euer Eigentum, aber ihr behandelt uns wie emotionale Sklaven, nur dazu da, damit ihr euch besser fühlt, als Lebenssinn oder so. Auch Mist für uns, totaler Mist. Und dann die Litanei mit dem Wort "Kindeswohl". Alles Mist. Was uns wohl getan hätte war ganz einfach: Ohne Stress alle sehen zu dürfen. Punkt, aus, basta. Mein Vater ist normal, meine Großeltern sind auch normal und wohl sehr, sehr lieb gewesen, das sagt mein Cousin, der sie kennen durfte. Papa ist auch sehr liebevoll und zärtlich und lustig. Aber auch traurig. Einmal haben wir zusammen geweint, als ich wieder weg musste nach drei Tagen. Aber er sagt nie ein böses Wort über meine Mutter, Nie. Aber sie meckert immer über ihn. Selbst nach 12 Jahren Scheidung noch. Meine Güte, warum hat sie keine anderen Themen im Leben als nur diesen Hass? Dabei hat sie ihn verlassen wegen einem anderen Mann. Sie hat ihn freiwillig geheiratet, freiwillig verlassen, wo ist eigentlich das Problem? Sie sehen sich nicht seit 12 Jahren, er zahlt die Alimente, aber sie macht Stress ... mit Anwälten, mit Drohungen, mit Verleumdungen bei seinem Chef, sie hat da angerufen und blödes Zeug erzählt, und in der ganzen Bekanntschaft sowieso. Und alle Frauen glauben ihr, weil Männer ja sowieso nur "Mistkerle" sein können. Komisch, ich finde Männer oft super und ziemlich cool. Wie ich das hasse: Ins Wohnzimmer zu kommen und da sitzen sechs geschiedene Frauen und meckern über die Männer, auch über meinen Vater. Meine Mutter quatscht und erzählt alles: Wie er im Bett war und so. Eklig. Dabei hat sie ihn seit 12 Jahren nicht mehr gesehen. Und die anderen Weiber meckern ebenso, als gäbe es nur Idioten als Männer. Manchmal denke ich, idiotischer sind eigentlich Frauen, die nicht schnallen, dass die Ehe vorbei ist, aber uns Kinder jahrelang weiter quälen. Und dann die Widersprüche: Papa darf keine Freundin haben, da würde sie ausflippen, wenn sie es hörte. Einmal dachte sie, er hätte eine. Sie spioniert ihm auch nach 12 Jahren noch nach. Sie nannte sie ein Flittchen, was ich damals nicht verstand. Aber heute. Und sie horchte uns immer aus, stundenlang. Als würden wir nicht wissen, was sie hören möchte. Aber wir sagen nie etwas. Niemals. Auch nicht, wie schön es war und was wir getan haben, denn sonst flippt sie aus und meckert über ihn. Oder wird scheiß höhnisch, wenn wir sagen, auf dem Rummel war es toll oder wir sind gewandert oder haben draußen im Zelt mit ihm geschlafen. Sie macht alles kaputt: voll höhnisch, lächerlich, meckerig, total grausam. Also reden wir nicht und sie denkt, es war nicht schön, weil wir so einsilbig sind und nichts erzählen und nach so einem tollen Wochenende traurige Gesichter machen. Sie denkt dann, auch daran ist Vater schuld. Sie hat es in 12 Jahren nicht geschnellt, dass sie Schuld ist. Niemand sonst. Und sie kreidet das Vater wieder an. Ich fühle mich dann immer wie in einer Scheiß-Mausefalle. Alles ist falsch: Erzählen oder Nichterzählen, alles macht ihr schlechte Lauen und das für drei volle Tage. Meistens bis Mittwochs, dann hat sie sich beruhigt. Aber vorher noch mit einem Dutzend Freundinnen telefoniert und alles ein Dutzend Mal durch gehechelt, als ob wir das nicht hören könnten. Aber das ist ihr egal, wenn sie vor uns über unseren Vater meckert. Als hätten wir keine Gefühle, als wären wir Möbelstücke, als wären wir nicht seine Kinder, würden nicht von ihm abstammen... Kapieren tut sie das alles nicht. Nur ihre komischen, 12-Jahre-alten-Gefühle sind wichtig, unsere niemals. Auch wenn dann alle von Kindeswohl faseln. Das ich nicht lache. Wo ist hier das Kindeswohl? Ich sehe kein Kindeswohl, eigentlich nur blödes, volles Kinderleid! Wie gesagt: Wenn Papa eine Freundin hätte, würde Mama durchdrehen. Aber sie hat ihn doch selbst verlassen wegen einem Typen und erlaubt sich alle paar Monate einen neuen Mann. Morgens im Badezimmer steht er dann plötzlich da, halbnackt. Mir wird ganz kotzig, ich kann dann nichts mehr essen vor der Schule. Meine Güte, was schleppt sie für Typen an, immer jünger und blöder. Aber meckert auf alle Männer. Meiner kleinen Schwester geht es noch schlechter wegen der Typen im Badezimmer. Sie wird ganz stumm und rennt zur Schule, so schnell sie kann. Und redet lange nichts mehr. Fast nicht mehr, oder sie rastet wegen nichts aus. Dann weiß ich, dass die Typen sie nerven. Ich hasse das, dieses Messen mit zweierlei Maß. Unsere Mutter nimmt sich alles heraus, aber meckert trotzdem. Warum kann sie ihr Leben nicht genießen. Sie sagt nur zu anderen: Meine Kinder sind mein Glück. Merken tun wir Kinder nichts davon. Das sind doch nur Worte, hohle, leere Worte. Wir sind doch ganz o.k. und gut in der Schule - immer gewesen. Aber glücklich ist sie selten mit uns. Gespielt hat sie früher auch nie mit uns, das tun Frauen sowieso nicht. Sagen auch meine Freunde. Das machen nur Väter. Nicht alle, aber viele die ich kenne, die spielen Fußball mit ihren Jungs oder Monopoly oder so ein Zeug. Oder gehen mit ihnen raus zum Wandern oder Klettern. Das macht Laune. Und mein Vater, der ist auch so ein Naturbursche, mit dem hätten wir ganz oft gespielt oder draußen gezeltet. Wenn wir gedurft hätten. Das Zelten fand sogar meine kleine Schwester schön und kuschelig, obwohl sie zu Hause immer Angst hat nachts. Aber nie Angst, wenn Vater dabei ist, selbst nicht im Zelt. Dann fühlte sie sich richtig geborgen und glücklich und lustig. Ich mich auch. Und er hat auch immer viel mehr vorgelesen, super Geschichten aus seinen alten Schullesebüchern. Richtig spannend. Wir haben dann zu dritt auf dem Sofa gesessen und gekuschelt. Auch als ich noch 14 war fand ich das schön. Als ich ganz klein war, habe ich immer stundenlang geweint, wenn ich wieder weg musste von ihm. Und er hat mich getröstet und in den Arm genommen und gesagt, dass wir beide hoffen, uns ganz bald wieder zu sehen. Und dass er jeden Tag an mich denkt und mich jeden Tag lieb hat, auch wenn er nicht telefonieren könnte, weil meine Mutter das Telefon für all seine Nummern abgestellt hat. Dass wir so traurig waren, durften wir unserer Mutter nicht sagen, weil sie es falsch ausgelegt hätte und meinen Vater wieder beschimpft hätte. Das wusste auch schon meine kleine Schwester als sie fünf war. Ich habe sie dann immer noch erinnert und ihr eingeschärft den Mund zu halten. Aber eigentlich wusste sie es von selbst. Man muss sich als Kind ja schützen, man weiß ja Bescheid. Ich klage alle Erwachsenen an: Was seid ihr uns Kindern eigentlich für miese Vorbilder? Das tendiert Richtung Null. Schämt ihr euch nicht? Warum gibt es keine Kontrolle, die verhindert, dass Eltern ihre Kinder kaputt machen? Warum könnt ihr nicht vernünftig entscheiden, euch Hilfe holen, wenn euch was quält? Warum könnt ihr Lebenskrisen nicht so bewältigen, dass ihr anschließend stolz darauf seid und nicht reihenweise Elternteile, Großeltern und Kinder halbtot im Gelände herum liegen?
Warum seid ihr so aggressiv, auch passiv aggressiv, indem ihr so vieles verbietet, unmöglich macht, manipuliert? Mutter hat immer gelogen bezogen auf das Sorgerecht. Dass wir nicht da seien, wenn Vater kam. Ihn belogen, uns belogen, alle belogen. Wir wuchsen in einer Lügen-Welt auf. Ich war auch nie krank, wenn Vater kam. Auch gelogen. Und wenn ich krank gewesen wäre, hätte er mich gepflegt, ganz lieb und mir vorgelesen. Und Quatsch gemacht. Tolles Vorbild mit all den Lügen. Super moralisch. Es gibt ein Menschenrecht darauf, alle Eltern, Geschwister, Großeltern und Verwandte kennen und sehen zu dürfen. Warum missachtet ihr Menschenrechte? - Warum gibt es keine Strafen für die Missachtung von Menschenrechten? Was ist das für eine Gesellschaft, die das nicht bestraft? Wenn wir nur einmal beim Schwarzfahren erwischt werden, werden wir gleich abgeführt und verhört und der Schlamassel beginnt. Aber nicht, wenn Menschen ihre Kinder nicht zu den Großeltern lassen, obwohl das Gericht es angeordnet hatte. Und das Dutzende Male nicht, 12 Jahre lang in meinem Leben und 10 Jahre nun im Leben meiner kleinen Schwester. Das sind ungefähr 264 mal, wenn man nur 12 Besuche im Jahr rechnet. 264 mal kriminell gewesen, 264 mal Menschenrechte nicht geachtet. In welchem Land leben wir eigentlich, dass dies erlaubt ist? Wir wollen nur weg von hier. Scheiß Rechtsstaat, das Kindeswohl könnt ihr euch an den Hut stecken. Recht haben wir Kinder jedenfalls nie bekommen. Nur Stress. Ich darf jetzt die Akten einsehen. Es sind mehr als 10.000 Seiten, die mein Vater oder seine Anwältin geschrieben haben. Er hat gekämpft wie ein Bär für uns. Und ist verzweifelt. Wenn ich das lese, wie viele zehntausende von Euro das auch gekostet hat, die wir sonst schick verprasst hätten, wie er mal im Spaß gesagt hat, und seine Verzweiflung sehe, weil er uns doch nur selten und zu kurz sehen konnte, obwohl er doch nur mit uns spielen wollte, dann hasse ich meine Mutter. Und meine Großeltern sind jetzt tot, sie kann ich nicht mehr kennenlernen. Für sie war es auch ganz schlimm, uns nicht zu kennen. Wir sind doch die Enkelkinder. Man hat doch nicht so viele, dass man auf einige verzichten könnte. Jetzt bin ich ganz alleine. Ohne Vater in meiner Nähe und voller Hass auf meine Mutter. Meine Schwester hasst, wie schon gesagt, auch unseren Vater, völlig blöd, weil er ihr nichts getan hat und nichts dafür kann. Aber sie hasst halt nun beide. Eigentlich hasst sie ihr Leben, das ist es! Schönes Leben, richtig beschissen hat es angefangen. Und 18 Jahre gedauert. Und kein anderer Erwachsener hat uns geholfen. Und dann beklagen sich alle darüber, dass wir Deutschen aussterben und die jungen Leute nicht genügend Kinder kriegen. Also, meine Schwester und ich wollen garantiert keine kriegen. Das ist schon mal klar. Und das mit dem Aussterben. Das haben sich die Erwachsenen selbst eingebrockt. Warum gibt es keine Strafen für das Zerreißen von Kindern? |
– Astrid von Friesen: Trennungskinder klagen an!, Freie Welt am 21. Januar 2011 |
Literatur
- Matthias Stiehler: Väterlos - eine Gesellschaft in der Krise, Gütersloher Verlagshaus, 2012, ISBN 3-579-06657-9
- Lothar Schon, Dr. phil.: Sehnsucht nach dem Vater - Die Dynamik der Vater-Sohn-Beziehung
- Horst Petri: Das Drama der Vaterentbehrung. Chaos der Gefühle - Kräfte der Heilung., Herder-Spektrum-Verlag 1999, ISBN 3-451-05769-7 [11]
- Hermann Schulz, Jürgen Reulecke, Hartmut Radebold: Söhne ohne Väter - Erfahrungen der Kriegsgeneration. Ch. Links Verlag, Berlin, ISBN 3-86153-320-0 (Leseprobe Google Books)
- Matthias Matussek: Die vaterlose Gesellschaft - Überfällige Anmerkungen zum Geschlechterkampf. Rowohlt Tb.(1998) ISBN 3-499-60597-X
Filmdokumentation
- "Söhne ohne Väter - vom Verlust der Kriegsgeneration", Dokumentarfilm von Andreas Fischer, Deutschland 2007, 80 Minuten. Erstausstrahlung: 20. Mai 2007, 3sat
Einzelnachweise
- ↑ Horst Petri: Psychosoziale Folgen des Vaterverlusts: Vergleichbares Trauma wie beim Verlust der Mutter, Deutschen Ärzteblatt 2007; 104(22): A-1572 / B-1389 / C-1329
- ↑ Kundgebung des VAfK zum Tag der Menschenrechte 2012 - Rede Dr. Peter Walcher
- ↑ Walter Hollstein: Das männliche Vakuum, Basler Zeitung am 24. Dezember 2013 (Buben leiden besonders unter Scheidungen. Weil die gleichgeschlechtliche Identifikationsfigur fehlt.)
- ↑ ARTE Dokumentationsreihe "Aus Kindern werden Leute"
- ↑ U.S. Bureau of the Census, U.S. GAO, U.S. DHHS, U.S. Dept of Justice
- ↑ Matthias Matussek: "Die vaterlose Gesellschaft", ISBN 3-86150-108-2, S. 111-125
- ↑ Abwesende Väter können Jungen schaden - Studie über die Auswirkungen von fehlender Interaktion mit einem Elternteil
- ↑ 8,0 8,1 Robert Grözinger: Eskalation der Gewalt in England: Heißsporne aus Tottenham, ef-magazin am 26. August 2011
- ↑ Karin Pfeifer-Stolz: Des Zornes und der Empörung Wellen, Freie Welt am 26. Oktober 2011
- ↑ Dr. Hans-Joachim Maaz: "Väterlos - eine Gesellschaft in der Krise" - eine Rezension, Cuncti - Streitbar am 14. März 2013
- ↑ Rezensionen und Interview zu: "Das Drama der Vaterentbehrung"
Querverweise
Netzverweise
- Matthias Stiehler: Tabuisierte Väterlichkeit, Cuncti am 2. September 2013
- "Die Wunde der Vaterlosigkeit", Teil 1, 2, 3 (Mai 2010)
- Kinder leiden ohne leibliche Väter - RTL
- Vaterliebe
- Väternotruf: Vaterlosigkeit
- Statistics of a Fatherless America
- Fatherless Homes
- Die Wichtigkeit der Väter - von Dr. Wade F. Horn, übersetzt von Klaus Rosenauer VAfK München
- Thomas Pany: Nicht ohne meinen Vater, Heise/Telepolis am 8. März 2007 (Entgegen der Klischees: Mehr Präsenz des Vaters in den ersten Lebensmonaten ist viel wichtiger als angenommen)
- GEO: Das neue Bild vom Vater
- Rainer Stadler: Erziehung: Sind Väter die besseren Mütter?, Süddeutsche Zeitung am 19. Mai 2010 (Die Rolle der Väter haben Wissenschaft und Gesellschaft lange unterschätzt. An allein erziehenden Männern lernen Forscher, wie wichtig der Papa für die Kinder ist.)
- Papa... wäre es schön, du wärst noch hier..... Papa war ein toller Mann., Platinnetz am 17. März 2009 (Ich hatte ihn sehr gerne. Er hatte eine harte Schale und innen einen sehr, sehr weichen Kern. Nun ist er schon ganz viele Jahre nicht mehr bei mir. Er ist freiwillig über die Regenbogenbrücke gegangen. Er konnte es in dieser Welt einfach nicht mehr ertragen. Er war einfach zu gut für diese Welt, auch wenn er uns manchmal glauben machen wollte, er wäre ein harter Mann so wie John Wayne. Er liebte Western, ich weiß noch als ich klein war, da schaute ich am Wochenende immer Western mit ihm. Er lag dann auf dem Sofa, ich kuschelte mich zu ihm und er nahm meine Hände immer in seine Hand und dann ließ er immer seine Finger, einen nach dem anderen auf meine Hände klopfen. Es ist etwas, an das ich mich heute noch immer gern erinnere. Nie habe ich mich so geborgen gefühlt, wie bei Papa.)
- PALME-Projekt, weil es ohne Vater EBEN nicht geht. Auch noch im hohen Alter steigt die Wahrscheinlichkeit an Depression zu erkranken, noch deutlich. >>>PALME - Präventives Elterntraining für alleinerziehende Mütter geleitet von ErzieherInnen. Ein Unterstützungsprogramm für alleinerziehende Mütter und ihre Kinder.
- Alleinerziehende: "Vaterlose Jungs sind ein Milliardengeschäft", Der Stern am 1. Mai 2009
- Wolfgang Bergmann: Der Vater muss zwischen Mutter und Sohn treten, Die Zeit am 14. Juni 2010
- Beziehung zum Vater entscheidend fürs Jugendalter - Erfahrung von Grenzen festigt die Persönlichkeit, 31. März 2009