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Egalitarismus

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Der Begriff Egalitarismus (von frz. égalité aus lat. aequalitas "die Gleichheit") bezeichnet ethische, politische, ökonomische oder sozial­politische Positionen, die durch Herstellung von Gleichheiten die Gegensätze einer Gesellschaft aufzulösen versuchen. Eine Richtung des Egalitarismus will die Gleichheit des persönlichen Besitzes, eine andere fordert Chancen­gleichheit für jedes Individuum in der Gesellschaft.

Abgrenzungen

Kommunisten verstehen unter Egalitarismus die Aufhebung des Privat­eigentums an Produktions­mitteln[wp] und die Verteilung der Güter nach dem Prinzip, die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Menschen zu berücksichtigen.

Der Anarchismus[wp] wiederum fußt in seinem gesamten Spektrum auf dem egalitären Standpunkt, dass jede Form von Herrschaft, weil sie eine willkürliche Ordnung auf der Basis von Ungleichheit ist, erst einmal beseitigt werden muss - ohne allerdings eine Ordnung der Gleichheit als zwingende Konsequenz zu fordern, wie es etwa Kommunisten tun.

Auch beispielsweise in Bezug auf das Geschlechter­verhältnis[wp], die Menschenrechte, die Bildung wird der Terminus "Egalitarismus" verwandt.

Die Konzeption einer z. B. politischen, ökonomischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Elite[wp] steht im Gegensatz zu egalitären Gesellschaftskonstruktionen.

Der Egalitarismus in seinen beschriebenen Ausformungen bzw. als ideologische Grundlage nimmt demnach eine grundsätzlich linke Position in der jeweiligen Gesellschaft ein, wo solche Vertreter zu finden sind.

Die feministische Ideologie verwendet Begriff des Egalitarismus, um hierarchische Strukturen zwischen Mann und Frau zu konstruieren. Ganz im Sinne der feministischen Einteilung in weibliche Opfer und männliche Täter beschreibt Birgit Rommelspacher[wp] Egalitarismus als eine politische Strategie, die im Namen von Gleichheit kulturelle Dominanz und ökonomische Unterordnung legitimiere.[1]

Natur - die große Ungleiche

Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass Menschen verschieden sind: Es gibt große Menschen und kleine Menschen, dicke und dünne, kluge und weniger kluge. Jeder Mensch hat seinen eigenen Namen, eine eigene Herkunft, eine eigene Identität und er ist für gewöhnlich stolz auf seinen Namen, seine Herkunft (Familie) und seine persönlichen Errungenschaften. Bei Kindern kann man beobachten, wie sie in spielerischem Wettstreit herausfinden, wer von ihnen das Schnellste, das Stärkste, das Geschicklichste, das Klügste und das Führungskompetenteste ist.

Außerhalb der Mathematik - also außerhalb der Analyse abstrakter Größen - haben konkrete Größen stets Unschärfen, Ungleichgewichte und Ungleichheiten an sich, die einer gedachten "Gleichheit" (und damit auch jeder praktizierten "Gleichbehandlung") konstant entgegenstehen. So wie evolutionäre Selektion überall an der unscheinbarsten Ungleichheit ansetzt, so widerstreitet jede der greifbaren Ungleichheiten dem Begriff einer "humanen" Gleichheit. Bei jeder Kollision von Begriff und Wirklichkeit müsste folglich der Begriff (einer abstrakten Gleichheit von was auch immer) Schaden nehmen an den tatsächlichen Unebenheiten, den Unwuchten und Besonderheiten der realen Dinge oder der Menschen oder der Ereignisse.

Es gehört also ein gehöriges Maß ideologischen Willens dazu, entgegen jeder erfahrbaren Wirklichkeit an "Gleichheit" (etwa als einen moralischen Maßstab für Rechte und Ansprüche) festzuhalten. Wenn ein zivilisatorischer Angriff gegen jede Art von Ungleichheit real verwirklicht würde (wenn also politische, einkommensmäßige, sexuelle, geschlechtliche, bauliche, kleidungsmäßige, geistig-intellektuelle, begabungsmäßige Ungleichheit einmal vollständig bereinigt ist), dann stünde einer solchen "Zivilisation" zuletzt die Natur selber als die große Ungleiche gegenüber.

Staatliche Intervention als ständige Gängelung

Der Mensch ist von Natur aus nicht gleich und er will auch nicht gleich sein, wie man an den Anstrengungen eines jeden Jugendlichen, sich von anderen zu unterscheiden, feststellen kann. Kleinkinder reagieren erbost, wenn man sie nicht mit ihrem richtigen Namen anspricht und das "miteinander Teilen" muss erst mühsam erlernt werden.

Weil sich Gleichheit unter Menschen niemals auf natürlichem Wege einstellt, muss diese Gleichheit von außen erzwungen werden. Das Herbeiführen von egalitären Strukturen hat deshalb immer mit Zwang zu tun. Dieser Zwang wird dann zumeist durch staatliche Institutionen ausgeübt, Umverteilungen werden von allumfassenden Bürokratien organisiert. Bürokratien können nun aufgrund menschlicher und organisatorischer Schwächen niemals vollkommen frei von Nepotismus[wp], Günstlingswirtschaft[wp], Korruption und Parteibuchwirtschaft[wp] aufgebaut werden. So entstehen durch die bürokratische Umverteilung wieder neue, andere Ungleichheiten. Diese wiederum legitimieren eine erneute staatliche Intervention, was letztlich auf eine ständige Gängelung des Bürgers durch den Staat (und somit zur Unfreiheit) hinausläuft.

Zitat: «Die sozialistische Politik ist ein Kampf gegen die tausendköpfige Hydra[wp] der Ungleichheit. Jeder staatliche Eingriff zur Reduzierung von Ungleichheit schafft unzählige neue. Es gibt nämlich immer Leute, die durch Chancengleichheit begünstigt werden, Kriegsgewinnler der Gleichstellung. Und es ist kein Herakles[wp] in Sicht, der die sich selbst reproduzierenden Ungleichheiten ausbrennen würde. So erzeugt der Egalitarismus selbst beständig Frustration.» - Norbert Bolz[2]

Gleichheit auf der "Nulllinie"

Weil die Menschen einerseits nicht alle "herausragende Persönlichkeiten" sein können, der Egalitarismus andererseits Eliten[wp] ablehnt, bleibt als Ausweg nur die Förderung der Durchschnittlichkeit. In egalitären Gesellschaften wird diese Durchschnittlichkeit in allen gesellschaftlichen Bereichen durchgesetzt: In der Regierung, in der Verwaltung, in der Forschung, in der Bildung, in der Wirtschaft und in der Kunst. Auch der Genie-Begriff wird von Vertretern des Egalitarismus kategorisch als falsch­verstandenes Phänomen einer "sozialen Konstruktion von Unterschieden" abgelehnt.

Zitat: «Das Kind der Unfreiheit ist die Gleichheit in Armut. Egalitarismus kennt keinen Wohlstand auf Dauer.»

In letzter Konsequenz ist die vom Egalitarismus geforderte Gleichheit nur auf der intellektuellen und leistungsmäßigen Nulllinie zu verwirklichen. Erfahrungen in Kuba, Nordkorea, in China während der Kulturrevolution[wp] und in Kambodscha während der Herrschaft der Roten Khmer[wp] scheinen das zu bestätigen.

In Kambodscha wurden die bestehenden Gesellschafts­strukturen zerschlagen, um die Voraussetzungen für eine vorgeblich uniforme und egalitäre Gesellschaft nach maoistischem Muster zu schaffen. Die Hauptstadt Phnom Penh wurde innerhalb von 24 Stunden nahezu komplett entvölkert. Hunger und Krankheiten rafften große Teile der Bevölkerung dahin. Man zwang die Menschen aus den Städten aufs Land, um Kooperativen für Reisanbau zu bilden. Insgesamt werden die Opferzahlen auf 1,4 bis 2,2 Millionen geschätzt. Vor allem Beamte, Intellektuelle und buddhistische Mönche wurden in etwa 100 Vernichtungs­lagern gefoltert und hingerichtet, weil sie Widerstand geleistet hatten oder einfach der "Bourgeoisie" angehörten, wobei es oft ausreichte, lesen zu können oder eine Fremdsprache zu sprechen. Die Kambodschaner wurden gezwungen, schwarze Einheits­kleidung zu tragen. Geld wurde abgeschafft, Bücher wurden verbrannt, Lehrer, Händler und beinahe die gesamte intellektuelle Elite des Landes wurden ermordet. Industrie- und Dienst­leistungs­betriebe, Banken, Krankenhäuser, Schulen wurden geschlossen. In der Folge war die wirtschaftliche Infrastruktur größtenteils zerstört und die Versorgung mit Nahrung brach - auch durch Fehlplanung und Misswirtschaft - zusammen. Schon nach kurzer Zeit konnten die Bauern nicht einmal mehr den Reisbedarf des eigenen Volkes decken, und nicht wenige mussten sich von Ratten ernähren, um nicht zu verhungern. Nahrungs­mangel und Zwangsarbeit sowie fehlende medizinische Versorgung führten zum Tod Hundert­tausender.

Das Regime Pol Pots[wp] ist vielleicht das extremste Beispiel einer egalitären Politik, die glaubte Maos Kulturrevolution[wp] für die Umgestaltung Kambodschas übernehmen zu können. Die egalitären Gesellschafts­entwürfe in Kuba und in Nordkorea zeigen aber ähnliche Ergebnisse: Fehlplanung, Misswirtschaft, wirtschaftlicher Niedergang oder bestenfalls Stagnation.

Herkunft des egalitären Denkens

Es ist nicht ohne weiteres klar, woher die Durchschlags­kraft der egalitären Ideologie überhaupt stammt. Menschen wollen ja als Ungleiche behandelt werden, gemäß dem für sie selbst und für die Ihrigen wichtigen Besonderheiten, auch gemäß den mühsam erarbeiteten Gewohnheits­rechten. Wer seine Arbeit gut macht, will nichts von Einheitslohn hören. Wer lange brauchte, sich Vorrechte zu erkämpfen, will eigentlich nicht hören, dass überhaupt alle immer schon dieselben Rechte gehabt hätten.

Der jüdische Einfluss

Ein möglicher Zusammenhang der Entstehung der egalitären Ideologie könnte mosaische Hintergründe haben: Für Juden gibt es grundsätzlich und ausnahmslos keine "hoch­wohl­geborenen" Menschen. Nach jüdischer religiöser Auffassung sind Juden ein "heiliges Volk". Unablässig schwer bestraft von ihrem Gott Jahwe[wp], aber eben "auserwählt", heilig zu sein und Volk dieses Gottes (tatsächlich dessen Eigentum) zu sein.

Das aristokratische Prinzip jedoch - wesentliche Kraftquelle europäischer Zivilisation - ist Juden zuwider und bietet ihnen Anlass für Spott. So sind die alttestamentarischen[wp] - dort so genannten - "Könige" in Wahrheit allenfalls Stammes­älteste, die sich stets und regelmäßig den Droh­worten und Straf­an­kündigungen der Priester und "Richter" fügten. Ein aristokratischer Habitus bei diesen so genannten "Königen" ist den Schilderungen des Pentateuch in allen Jahr­hunderten gänzlich fremd. Das aber hat alles nun nichts und weniger als nichts mit unseren europäischen Vorstellungen von einem freien, stolzen und vornehmen Auftreten und Selbstverständnis des Edel­mannes zu tun. Wenngleich also unleugbar in der Bibel das Wort "König" fällt, bezieht es sich dort doch nie auf Vorkämpfer (vielmehr kämpft Jahwe typischerweise stellvertretend in den biblischen Kriegen "seines" Volks), sondern stets auf "Älteste", die im Zelt auf die Beute "warten"!

Juden in der Diaspora[wp] trugen diese Denktradition in die (in der Neuzeit entstehenden) urbanen Zentren Europas und in die Millieus des Bürgertums und der Patrizier hinein. Ein stiller, mühsamer Sickerprozess, der möglicherweise durch die von Napoleon Bonaparte[wp] verfügte Juden­emanzipation[wp] beschleunigt wurde. Juden wollten dabei sein, sie wollten mittendrin sein, Achtbarkeit genießen. Und so prägten sie die aufkommenden egalitären, liberalen und bürgerlichen Ideen wesentlich mit.

Der christliche Einfluss

Ein anderer Zusammenhang der Entstehung der egalitären Ideologie steht im Zusammenhang mit Jean-Jacques Rousseau[wp] (1712-1778), der mit seiner Behauptung, Urmenschen hätten keine "Zäune" und keine "Grenzen" gekannt, maßgebliche Impulse für das egalitäre Denken gab. Zwar haben Säugetiere in aller Regel ein sogar deutlich ausgeprägtes Territorial­verhalten und unzählige feste Revier-Instinkte - und Menschen eher noch deutlichere als andere Säugetiere -, aber Rousseaus Vorstellung sollte für fast zweihundert Jahre prägenden Einfluss auf das abendländische Denken behalten.

Einzelnachweise

  1. Wikipedia: Egalitarismus, abgelesen am 12. August 2013
  2. Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit, 2009, S. 86-87

Querverweise

Netzverweise

Dieser Artikel basiert in Teilen auf dem Artikel Egalitarismus (15. Mai 2013) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia. Der Wikipedia-Artikel steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar, die vor Übernahme in WikiMANNia am Text mitgearbeitet haben.