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OLG Celle, Beschluss 15 WF 241/07 vom 04.01.2008

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Mit seinem Beschluss 15 WF 241/07 vom 04.01.2008 hat das OLG Celle die vorläufige Fortsetzung eines Wechselmodells bis zur Fertigstellung eines (wohl von der Mutter geforderten) familien­psychologischen Gutachtens angeordnet. Die Eltern hatten ursprünglich ein modifiziertes Wechselmodell dergestalt vereinbart, dass sich das gemeinsame, zum Zeitpunkt des Verfahrens 2 1/2-jährige Kind wochentags jeweils von 6.30 Uhr bis 15.30 sowie 14-tägig von Freitag 6.30 Uhr bis Montag 14.30 Uhr bei der Mutter, ansonsten beim Vater aufhält. Nachdem der Mutter dann doch Bedenken kamen und sie zu der Überzeugung gelangt war, ein Wechselmodell werde dem Alter und den Bedürfnissen des zweijährigen Kindes nicht gerecht, war diese Regelung fast identisch vom AG angeordnet worden. Dagegen wandte sich die Mutter mit ihrer Beschwerde und machte wiederum geltend,das Kind habe keine Möglichkeit, in einem der beiden Haushalte fest verwurzelt zu sein. Zudem wären die Erziehungsstile beider Eltern zu unterschiedlich. Das OLG beließ es jedoch bei der vom AG verfügten Regelung; das Aufenthaltsbestimmungsrecht blieb beim Vater. Im Verfahren zur Hauptsache haben die Eltern übrigens mit Beginn des Kindergartenbesuchs einen wöchentlichen Wechsel ihres Sohnes zwischen den elterlichen Haushalten vereinbart.[1]

Unabhängig davon hat die Entscheidung des OLG Celle Bedeutung für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - d.h., wenn eine einstweilige Anordnung beantragt wird. Um durch die lange Dauer eines Hauptsache­verfahrens mit der Einholung eines Gutachtens keine Fakten zu Gunsten eines Elternteils zu schaffen, werden auf Fairneß bedachte Familienrichter bei Kindern, die noch nicht schulpflichtig sind, künftig vielleicht eher ein Wechselmodell in Betracht ziehen, sofern beide Eltern die Kinder von Auseinandersetzungen und Streitigkeiten fern halten.

Der Beschluss enthält keine Aussagen zu dem vom Vater vor der Trennung geleisteten Anteil an der Betreuung und Erziehung.

Originaltext des Beschlusses

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. (Rest gekürzt)

Gründe

1 Das Amtsgericht hat im angefochtenen Beschluss das Aufenthaltsbestimmungsrecht vorläufig dem Antragsteller übertragen und zugleich der Antragsgegnerin ein umfassendes Umgangsrecht in der Weise eingeräumt, dass sich das gemeinsame Kind wochentags jeweils von 6.30 Uhr bis 14.30 sowie 14-tägig von Freitag 6.30 Uhr bis Montag 14.30 Uhr bei ihr aufhält. Zugleich hat das Amtsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Regelung des Aufenthalts des Kindes angeordnet.

2 Gegen die Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde und macht damit im Wesentlichen geltend, dass das vom Amtsgericht im Ergebnis angeordnete Wechselmodell dem Alter und den Bedürfnissen des zweijährigen Kindes nicht gerecht werde, weil es keine Möglichkeit habe, in einem der beiden Haushalte fest verwurzelt zu sein. Zudem seien die Erziehungsstile beider Eltern zu unterschiedlich, so dass das Kind ebenso wie unter der Trennung von seinem älteren Halbbruder leide.

3 Der Senat kann nicht feststellen, dass die vom Amtsgericht getroffene Regelung dem Kindeswohl nicht entspricht oder diesem - wie von der Antragsgegnerin geltend gemacht - zuwider läuft und allein die mit der Beschwerde verfolgte Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Antragsgegnerin dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

4 In der Anhörung vom 12. Juni 2007 hatten beide Eltern vorläufig eine Regelung über den Umgang getroffen. Diese entsprach bis auf den Umstand, dass G. sich wochentags bei der Antragsgegnerin bis 15.30 Uhr aufhalten sollte, der im angefochtenen Beschluss getroffenen Regelung des Amtsgerichts. Mit Schriftsatz vom 28. September 2007 machte die Antragsgegnerin geltend, dass sich beide Eltern in den Elterngesprächen, auf die sie sich ebenfalls verständigt hatten, über den Aufenthalt ihres Sohnes nicht hätten einigen können, vielmehr zeige G. Verhaltensauffälligkeiten durch Wutausbrüche. Er brauche einen festen Lebensmittelpunkt und solle möglichst schnell in einem Kindergarten angemeldet werden, um Kontakt zu anderen Kindern zu erhalten.

5 In ihrer Stellungnahme vom 5. Oktober 2007 führt die Verfahrenpflegerin aus, dass beide Eltern in bewundernswerter Weise seit der Anhörung miteinander umgehen und G. von diesem Verhalten merklich profitiere. Es gebe keine erkennbaren Hinweise darauf, dass die momentane Umgangsregelung seiner Entwicklung schade. Nach Ansicht der Verfahrenspflegerin sei der Junge in der glücklichen Lage zwei gleichwertige Elternhäuser zu haben.

6 Vor diesem Hintergrund hält der Senat die Regelung des Amtsgerichts, die dem ursprünglichen Willen beider Eltern entspricht, jedenfalls für die Zeit bis zu einer abschließenden Entscheidung des Amtsgerichts für sachgerecht.

7 Dass der etwa 2 1/2-jährige Sohn für die Umgangsregelung morgens um 5.30 Uhr aufstehen muss, damit der Antragsteller ihn vor seiner Tätigkeit als Gabelstaplerfahrer zur Antragsgegnerin bringen kann, dürfte zu keiner Beeinträchtigung der kindlichen Entwicklung führen, zumal diesem Umstand durch entsprechende Ruhezeiten mittags und abends von beiden Elternteilen Rechnung getragen werden kann.

8 Dass beide Eltern unterschiedliche Erziehungsstile praktizieren, stellt ebenfalls keinen Umstand dar, der die vom Amtsgericht getroffene Anordnung infrage stellen kann. Zum einen konnte die Verfahrenspflegerin durch den Wechsel des Kindes zwischen beiden Haushalten keine Beeinträchtigung feststellen. Zum anderen dürfte es eher der Regel als einer Ausnahme entsprechen, dass Mutter und Vater eines Kindes unterschiedliche Erziehungsmaßstäbe anlegen, ohne dass dies mit Nachteilen verbunden ist.

9 Auch der Umstand, dass G. nicht dauerhaft mit seinem Halbbruder, der bereits einen Kindergarten besucht, im Haushalt der Antragsgegnerin zusammenleben kann, steht der vorläufigen Regelung nicht entgegen.

10 Die von beiden Eltern ursprünglich getroffene und im angefochtenen Beschluss angeordnete Aufenthaltsregelung stellt im Ergebnis ein modifiziertes Wechselmodell dar. Der Senat ist - im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes - nicht der Auffassung, dass das Kindeswohl der getroffenen Regelung entgegen steht. Gesicherte entwicklungspsychologische Erkenntnisse über die Folgen des Wechselmodells liegen bisher wohl nicht vor (vgl. OLG Dresden FamRZ 2005, 125 f. = FPR 2004, 619 f; AG Hannover FamRZ 2001, 846, 847 m.w.Nw.; Überblick bei Kostka FPR 2006, 271 ff.; siehe auch Fichtner/Salzgeber FPR 2006, 278 ff.). Gleichwohl ist davon auszugehen, dass mit dem regelmäßigen Wechsel des Kindes zwischen zwei Haushalten Belastungen verbunden sein können, denen jedoch zugleich Vorteile für das Kind wie auch für die Eltern, von denen jedoch ein hohes Maß an Kooperation, Kommunikation und Kompromissbereitschaft erwartet wird, gegenüberstehen (vgl. OLG Dresden FamRZ 2005, 125, 126). Ob eine Aufenthaltsregelung im Sinne eines Wechselmodells vom Gericht angeordnet werden kann, wird unterschiedlich beurteilt (vgl. OLG Stuttgart NJOZ 2007, 2020; wohl auch OLG München FamRZ 2002, 1210). Die Aufhebung eines praktizierten Wechselmodells kann im Einzelfall nicht gerechtfertigt sein (vgl. KG FamRZ 2006, 798; OLG Stuttgart FamRZ 2004, 1397).

11 Vorliegend ist es beiden Eltern von Juni bis Oktober gelungen, den Wechsel ihres Sohnes zwischen beiden Haushalten in einer nicht nur den Belangen des Kindes gerecht werdenden Art und Weise zu organisieren. Vielmehr kommt nach den Ausführungen der Verfahrenspflegerin die bisherige Handhabung durch die Eltern ihrem Sohn in besonderer Weise zugute, so dass diese bis zum Abschluss der Ermittlungen des Amtsgerichts durch das bereits in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten fortgeführt werden kann.

12 Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 131 Abs. 3 KostO, 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG. Die Wertfestsetzung beruht auf § 24 RVG.

Anmerkungen

Das von Gegenern der paritätischen Doppelresidenz vorgebetete Standardargument der unterschiedlichen Erziehungsstile kontert das OLG mit gesundem Menschenverstand, indem es feststellt, es würde eher der Regel als einer Ausnahme entsprechen, dass Mutter und Vater [auch in einer intakten Beziehung] unterschiedliche Erziehungsmaßstäbe anlegten, ohne dass dies mit Nachteilen verbunden wäre. Bemerkenswert ist auch die neutrale Haltung der Verfahrenspflegerin, die durch den Wechsel des Kindes zwischen beiden Haushalten keine Beeinträchtigung feststellen konnte.

Weiterhin ist beachtlich, dass das [zum damaligen Zeitpunkt noch weitgehend zutreffende] Fehlen gesicherter entwicklungspsychologischer Erkenntnisse über die Folgen des Wechselmodells vom Gericht nicht als Gegenargument benutzt wurde und das die Vorteile eines Wechselmodells für das Kind wie auch für die Eltern betont werden.

Wichtige Hinweise zum Familienrecht
  1. "Nur das Familienwohl verwirklicht das Kindeswohl."
  2. "Familie und staatliches Gesetz passen schlecht zueinander. Das verbindende Prinzip der Familie ist die Liebe, das des Staates die Gesetzlichkeit. Dem Staat ist es nie gelungen, ein Familienrecht zu schaffen, das der Familie gerecht wird."
  3. "Um häusliche Verhältnisse, also die Familienverhältnisse, konnte vor einem Gericht nicht gestritten werden. Haus und Familie waren somit ursprünglich autonom und gerade dadurch Grundlage des Gemeinwesens."
  4. "Die Verrechtlichung ist Verstaatlichung der Familienverhältnisse und Auflösung der Familie in einzelne Rechts­verhältnisse. Das hat der Familie und dem Staat mehr geschadet als genützt."
  5. "Es kennzeichnet den totalen Staat, dass er die Menschen auch in den Familien reglementiert und das Familienprinzip zurückdrängt."
  6. "Die Ordnungsmacht beansprucht heutzutage auch in der Familie allein der Staat. Damit hat der Staat das wohl wichtigste Element der Gewaltenteilung beseitigt und sich vollends zum totalen Staat entwickelt." [2]


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"Meiden Sie Richter, Rechtsanwälte und Helferindustrie, wenn Ihnen Ehe, Familie, Kinder und Privatsphäre etwas bedeuten."
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Einzelnachweise