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Demontage der Russischen Föderation
Das Schlagwort Demontage der Russischen Föderation oder Dekolonialisierung Russlands (englisch: Dismanteling of the Russian Federation bzw. Decolonization of Russia) bezeichnet plakativ das Hauptziel eines von US-amerikanischen Geostrategen konzeptionierten, geopolitischen Langzeit-Projekts zur territorialen Zerstückelung Russlands in mehrere nur über ein limitiertes politisches und ökonomisches Existenzvermögen verfügende Klein- und Mittelstaaten, welches gegenüber der Weltöffentlichkeit als antiimperialistisches und antikolonialistisches Vorhaben inszeniert wird, dessen vorgeblicher Zweck darin besteht, angeblich diskriminierte Völker, Religionsgemeinschaften und ethno-religiöse Gruppen von repressiver Fremdbestimmung zu befreien und denselben die Inanspruchnahme des eigenen externen Selbstbestimmungsrechts[wp] zu ermöglichen.
Hintergrund
Die US-Regierung arbeitet vollkommen offen daran, Russland als Staat zu zerschlagen, auch wenn die westlichen Medien das bestreiten. Über ein Beispiel einer von der US-Regierung finanzierten und gelenkten Organisation, die offen an der Zerschlagung des russischen Staates arbeitet, habe ich schon 2022 berichtet.[1] Aber es gibt noch mehr davon. Ich bin vor kurzem auf eine sehr dubiose Organisation gestoßen, die sich "Forum Freier Staaten Post-Russlands" ("Free Nations of Post-Russia Forum") nennt. Auf deren Seite[ext] findet sich keinerlei Information über deren Finanzierung, aber an der Liste der Veranstaltungen, die das Forum organisiert hat, ist leicht zu erkennen, dass westliche Geheimdienste dahinter stecken, denn ohne deren Hilfe wäre eine erst im Mai 2022 gegründete Organisation kaum in der Lage gewesen, bereits neun internationale Veranstaltungen abzuhalten, unter anderem im Europäischen Parlament[wp], in Japan, Paris, London, beim Hudson Institute[wp] in Washington und so weiter. Offiziell wurde das Forum übrigens von einem Ukrainer gegründet und es hat seinen Sitz in Polen. Sein erklärtes Ziel ist es, den Staat Russland zu zerschlagen und ihn in mittlerweile 41 Kleinstaaten[wp] (die Zahl wächst ständig) aufzuteilen, die sich - das wird offiziell gesagt - dem Westen unterwerfen und der Ukraine mindestens zehn Jahre lang Kriegsreparationen zahlen sollen. Dieses Forum wurde in Russland nun zu einer Terrororganisation erklärt und verboten, was für das russische Fernsehen ein Grund war, darüber in seinem wöchentlichen Nachrichtenrückblick zu berichten und ich habe den russischen Beitrag übersetzt.
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– Anti-Spiegel[3] |
In New York findet aktuell noch die Generaldebatte der UN-Vollversammlung statt. In der vierzehn Tage andauernden Debatte war der Krieg in der Ukraine ein prominentes Thema und führte zu einem Schlagabtausch der Regierungen. In seiner Rede warf der russische Außenminister Sergej Lawrow dem kollektiven Westen vor, die Welt spalten und sein Land zerstören zu wollen. "Es ist ihnen nicht mal mehr peinlich, offen zu erklären, dass es nicht nur die Absicht gibt, unserem Land eine militärische Niederlage zuzufügen, sondern Russland zu zerstören, zu zerstückeln." Lawrows Worte klingen nach einem weiteren Versuch, den Krieg in der Ukraine als eine Form der Notwehr darzustellen, und als Rechtfertigung für eine weitere Eskalation in diesem Konflikt. Aus der Luft gegriffen sind sie allerdings nicht. Der Krieg in der Ukraine hat eine alte Diskussion wieder aufflammen lassen und der "Westen" bereitet sich bereits gedanklich auf die Zeit nach einer russischen Niederlage vor. Die Debatte ist auch von Gedanken geprägt, Russland als geopolitischen Faktor und Konkurrenten der USA auszuschalten. Die Ideen dazu sind vielfältig, firmieren aber unter dem Schlagwort "Dekolonisierung". Das politische Zentrum in Moskau schwächen und mehr Kompetenzen in die Regionen verteilen, ist wohl die am meisten harmlose Idee. Die extremste dürfte allerdings die sein, die Russische Föderation in zahlreiche Kleinstaaten aufzuteilen. Pläne zur Dekolonisierung Ein gedanklicher Vorläufer der letzteren Idee geht auf den Ersten Weltkrieg[wp] zurück. Im Jahr 1916 wurde die Liga der Fremdvölker Rußlands[wp] gegründet, die dafür eintrat, die angeblich vom russischen Imperialismus unterdrückten Völker in die Freiheit zu entlassen. Finanziert wurde die Liga vom Deutschen Kaiserreich, dem Kriegsgegner Russlands. Nach dem Ende der Sowjetunion[wp] wurde die Idee von der US-Regierung aufgegriffen und diskutiert, wie der US-amerikanische Autor Casey Michel[ext] Ende Mai in einem Artikel im Debattenmagazin The Atlantic schilderte.[4] Um zu verhindern, dass Russland jemals wieder die US-Hegemonie bedrohe, sprach sich der frühere Verteidigungsminister Dick Cheney[wp] dafür aus, sich nicht nur mit der Zerschlagung der Sowjetunion zufriedenzugeben, sondern auch Russland selbst zu zerschlagen. Der damalige US-Präsident George Bush[wp] setzte sich durch - und Russland wurde nicht zerstückelt. Für Casey Michel war das ein Fehler. Er schrieb: Der "Westen" müsse das 1991 begonnene Projekt zu Ende führen und versuchen, Russland vollständig zu entkolonialisieren. Dabei müsse das Land aber nicht unbedingt vollständig demontiert werden, wie es Cheney vorschwebte; es reiche auch, eine Art von demokratischem Föderalismus zu etablieren. Und wenn Russland entkolonialisiert sei, müsse der Prozess in China fortgesetzt werden. Denn auch dieses Land habe es versäumt, sich mit dem Erbe des Kolonialismus auseinanderzusetzen, so Michel. In Russland löste Michels Artikel heftige Reaktionen aus - und schürte Ängste. Der Jurist und General Juri Schdanow antwortete in der größten Tageszeitung Russlands: "Es ist klar, dass dies nicht nur seine persönliche Meinung ist, sondern die Position der herrschenden Kreise der USA".[5] Und seine Ansicht sei mit deren Zustimmung veröffentlicht worden. Russland stehe deshalb "vor der schwierigsten Bewährungsprobe seiner Geschichte". Es gibt Hinweise darauf, dass es sich bei Michels Artikel nicht um eine isolierte Aussage handelt. Christoph Jehle[6] hatte Ende Juni auf eine Kampagne hingewiesen, die von der Commission on Security and Cooperation in Europe (CSCE) in Washington DC lanciert wird: die Dekolonisierung Russlands als moralischen und strategischen Imperativ.[7] Und Michel wurde vom CSCE als Referent eingeladen. Das Gremium ist auch als "U.S. Helsinki Commission" bekannt und ihm gehören Senatoren, Mitglieder des Repräsentantenhauses sowie des US-Außenministeriums an. Man kann also davon ausgehen, dass ihre Arbeit erheblichen Einfluss auf die Außenpolitik der USA hat. Den Krieg in der Ukraine nimmt die CSCE zum Anlass, über Russlands Imperium im Inneren zu diskutieren. Es sollen Lösungen gefunden werden, wie der "russische Imperialismus" bekämpft und das Land "dekolonisiert" werden könnte. Ergebnisse der Diskussion sind noch nicht bekannt geworden, die Agenda dürfte aber deutlich sein. Forum der freien Völker Russlands Einen wichtigen Beitrag für die "Dekolonialisierung" Russlands leistet das Forum der freien Völker Russlands[ext]. Das erste seiner Art fand im Mai in Warschau statt und für jedes weitere Treffen findet in einer anderen europäischen Stadt, "die einen Hintergrund der Freiheit und des Kampfes gegen Diktaturen hat", heißt es in einem Bericht des tschechischen Online-Magazins České noviny[ext]. Beim ersten Forum in Warschau waren nicht nur die Vertreter ethnischer Minderheiten in Russland zugegen. Auch ehemals führende Politiker westlicher Staaten[wp], was auf eine inoffizielle Unterstützung durch diese Länder hindeuten könnte. Die ehemalige polnische Außenministerin Anna Fotyga[wp] nahm an dem Treffen teil, die auch zu den Gründern des Forums gezählt wird. Auch der ehemalige US-Verteidigungsminister Christopher Miller[wp] war zugegen. Zu den weiteren Mitbegründern wird auch der ehemalige ukrainische Außenminister Pavlo Klimkin[wp] gezählt, der auch beim zweiten Forum[ext] als Redner auftrat. Das zweite Treffen fand Ende Juli in Prag statt und die "Dekolonialisierung" Russlands stand hier auf der Tagesordnung. Zu Gast waren Vertreter indigener Völker in der Russischen Föderation, Vertreter der Ukraine und westlicher Staaten. Das nächste Treffen wird laut České noviny wahrscheinlich in Klaipėda, Litauen, abgehalten werden. Auf seiner Internetseite gibt sich das Forum moderat. Dort heißt es:
In der Diskussion gibt man dagegen die Zurückhaltung auf. "Dekolonialisierung" heißt dann in erster Linie: Zerschlagung der Russischen Föderation. Die Gesellschaft für bedrohte Völker[wp] (GfbV) gibt in ihrem Bericht die Worte des Sozialwissenschaftlers Sergej Sumlenny so wieder: Er "bedauerte, dass westeuropäische Experten sich gegen das Auseinanderbrechen Russlands wenden werden".[8] Sumlenny war bis 2021 Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew. Die "Entkolonialisierung" ist nach Meinung der Forums-Teilnehmer nicht auf Russland beschränkt, auch China ist gemeint. Denn beide Staaten wären die letzten Kolonialmächte. Damit ist gemeint, dass beide Länder nicht fremde Länder unterjocht hätten, sondern Völker in ihrem Inneren unterdrücken und berauben würden. Diese angeblich unterdrückten Völker sollen entsprechend in die Freiheit entlassen werden.
Das Forum dient hauptsächlich dazu, die einzelnen Akteure zu vernetzen und gemeinsame Ziele zu artikulieren - dabei stört man sich auch nicht an der Mitarbeit von vermeintlichen Extremisten. Anwesend war unter anderem der Separatistenführer aus Tschetschenien[wp], Ahmed Sakajew[wp], der in Großbritannien politisches Asyl genießt. In Russland wird er dagegen gesucht, weil ihm die Verantwortung für mehrere Terroranschläge zugeschrieben wird: Selbstmordanschläge bei einem Rock-Konzert und auf die Metro in Moskau[wp], Flugzeugabstürze und die blutige Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater[wp]. | ||||
– Telepolis[9] |
Anmerkungen
- ↑ Die Ukrainische Aufständische Armee (ukrainisch Українська повстанська армія / Ukrajinska powstanska armija; kurz UPA) war eine ukrainische Partisanenarmee und der militärische Flügel der "Organisation Ukrainischer Nationalisten" (OUN, Bandera[wp]-Fraktion OUN-B). Sie wurde 1942 gegründet und existierte bis etwa 1956. Im Zweiten Weltkrieg kollaborierte die UPA zeitweise mit dem nationalsozialistischen Deutschland[wp] und bekämpfte die Polnische Heimatarmee[wp].
Einzelnachweise
- ↑ Thomas Röper: Russische Propaganda? - Wollen die USA Russland als Staat zerschlagen?, Anti-Spiegel am 28. Juni 2022
- Anreißer: In Russland wird berichtet, dass die USA - und damit der Westen - nichts weniger planen, als die Zerschlagung Russlands als Staat. Ist das wahr, oder ist das russische Propaganda?
- ↑ https://vesti7.ru/video/2898870/episode/24-11-2024/
- ↑ Thomas Röper: Die Pläne, Russland als Staat zu zerschlagen, sind real, Anti-Spiegel am 25. November 2024
- Anreißer: Im Westen wird es als russische Propaganda abgetan, dass der Westen die Zerschlagung Russlands als Staat plant und daran arbeitet. Dass das nicht so ist, zeigt ein weiteres, recht neues, formal von Ukrainern gegründetes, aber von westlichen Geheimdiensten geleitetes Projekt.
- ↑ Casey Michel: Decolonize Russia, The Atlantic am 27. Mai 2022
- Anreißer: To avoid more senseless bloodshed, the Kremlin must lose what empire it still retains.
- ↑ Peter Jungblut: "Vollständig entkolonialisieren": Muss Russland zerlegt werden?[archiviert am 15. Oktober 2022], Bayerische Rundfunk (BR) am 30. Mai 2022
- Anreißer: Der Kreml müsse sein "Imperium" verlieren und Putins Reich aufgeteilt werden, fordert der bestens vernetzte US-Autor Casey Michel. Das löste in Moskauer Medien ein breites Echo aus: "Es ist klar, dass das nicht nur eine persönliche Meinung ist."
- Auszug: Ohne die Ukraine sei Russland kein Imperium mehr, soll der frühere Sicherheitsberater von US-Präsident Jimmy Carter[wp], Zbigniew Brzeziński[wp] (1928 - 2017), mal gesagt haben. Darauf bezugnehmend behauptet der in New York lebende investigative Autor Casey Michel jetzt in einem Essay für das Debattenmagazin "The Atlantic", zum Riesenreich Putins gehörten neben der Ukraine zahlreiche weitere Regionen wie Tatarstan und Sibirien, Tschetschenien und die Arktis, lauter "koloniale Besitztümer", denn echte Autonomie gestehe der Kreml keinem dieser Gebiete zu.
- Russlands Geschichte sei von "unaufhörlicher Expansion" geprägt: "Und wie wir in der Ukraine gesehen haben, ist Russland bereit, auf Krieg zurückzugreifen, um Regionen zurückzuerobern, die es als seinen rechtmäßigen Besitz ansieht."
- "Russische Bürger sollen endlich eine Stimme haben"
- Sobald die Ukraine den Versuch Russlands, sie wieder zu "kolonialisieren", abgewehrt habe, müsse der Westen die "volle Freiheit für die imperialen Untertanen Russlands" durchsetzen, argumentiert Michel: "Um Russland zu entkolonialisieren, wäre es nicht unbedingt erforderlich, es vollständig zu demontieren, wie [der ehemalige US-Verteidigungsminister] Dick Cheney einst vorschlug. Der Vorstoß in Richtung Entkolonialisierung könnte sich stattdessen darauf konzentrieren, aus der Art von demokratischem Föderalismus , die in Russlands Verfassung versprochen wird, mehr als ein leeres Versprechen zu machen. Das würde bedeuten, sicherzustellen, dass alle russischen Bürger, unabhängig von der Region, endlich eine Stimme bei der Wahl ihrer Führer erhalten würden."
- ↑ Christoph Jehle: Russische Teilrepublik Burjatien: Marschbefehle aus Moskau, Telepolis am 27. Juni 2022
- Anreißer: Burjatische[wp] Militäreinheiten erleiden in der Ukraine bislang überdurchschnittlich große Verluste. Die Opfer sind vielfach erst Anfang zwanzig. U.S. Helsinki Commission will Russland dekolonisieren.
- ↑ Decolonization of Russia to Be Discussed at Upcoming Helsinki Commission Briefing, 21. Juni 2022
- The Commission on Security and Cooperation in Europe, also known as the Helsinki Commission, today announced the following online briefing:
- DECOLONIZING RUSSIA - A Moral and Strategic Imperative
- The Commission on Security and Cooperation in Europe, also known as the Helsinki Commission, today announced the following online briefing:
- ↑ Tjan Zaotschnaja und Wolfgang Mayr: Russland entkolonialisieren, GfbV am 1. August 2022
- Anreißer: Nicht-russische Völker stellen die russländische Föderation in Frage
- Auszug: Der kriegsführende russische Präsident Putin biedert sich in Afrika und in Lateinamerika als Partner für die Entkolonialisierung an. Gegen die USA und die EU. Russland, die globale antikoloniale Speerspitze für die Befreiung des globalen Südens?
- ↑ Bernd Müller: Russland dekolonisieren: Will der Westen die Russische Föderation zerstückeln?, Telepolis am 25. September 2022
- Anreißer: Mit dieser Behauptung trat der russische Außenminister in der UN-Vollversammlung auf. Doch was bedeutet die "Dekolonisation", die der kollektive Westen für Russland anstrebt?
Netzverweise
- Thomas Röper: Die Pläne, Russland als Staat zu zerschlagen, sind real, Anti-Spiegel am 25. November 2024
- Anreißer: Im Westen wird es als russische Propaganda abgetan, dass der Westen die Zerschlagung Russlands als Staat plant und daran arbeitet. Dass das nicht so ist, zeigt ein weiteres, recht neues, formal von Ukrainern gegründetes, aber von westlichen Geheimdiensten geleitetes Projekt.
- Deutscher Bundestag: Auswärtiges - Kleine Anfrage - hib 395/2022: Forderung nach "Dekolonialisierung Russlands" thematisiert, 4. August 2022