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Gérard Bökenkamp

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Gérard Bökenkamp
Gerard Boekenkamp.jpg
Geboren 1980
Beruf Historiker, Journalist
Twitter @GBoekenkamp

Gérard Bökenkamp (* 1980) ist ein deutscher Historiker und Referent der Friedrich-Naumann-Stiftung.

Dr. Gérard Bökenkamp (Jahrgang 1980) ist Historiker. Sein Forschungsgebiet ist die Geschichte der Wirtschafts- und Innen­politik der Bundesrepublik Deutschland. Seine Doktorarbeit erschien unter dem Titel Das Ende des Wirtschafts­wunders. Dafür wurde er 2011 mit dem Europapreis des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) ausgezeichnet. Er hat zahlreiche Artikel, Rezensionen, Blog- und Radio­beiträge zu politischen und wirtschaftlichen Themen veröffentlicht, schwerpunkt­mäßig in den Bereichen Wirtschafts­geschichte, Philosophie und Geschichte des Liberalismus, Neue Medien[wp] und Demographie. Er wurde von den Lesern von Freiheit.org zum Autor der Freiheit 2009 gewählt.[1][2]


Für die "Friedrich-Naumann-Stiftung" arbeitet Gérard Bökenkamp als Referent an den Grundsatz­fragen des Liberalismus. Der Historiker beschäftigt sich mit der Geschichte der Wirtschafts- und Innenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Für seine Doktorarbeit über die Sozial- und Wirtschafts­politik der Bundesrepublik zwischen 1969 und 1998 erhielt er 2011 den Europapreis des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI). Zudem leitete als Chefredakteur die Online-Zeitung Die Freie Welt und arbeitete als freier Journalist.[3]


Für die Friedrich-Naumann-Stiftung arbeitet Gérard Bökenkamp an Grundsatz­fragen des Liberalismus. Der Historiker beschäftigt sich mit der Geschichte der Wirtschafts- und Innenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Für seine Doktorarbeit erhielt er 2011 den Europapreis des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI). Er leitete als Chefredakteur die Online-Zeitung FreieWelt und arbeitete als freier Journalist.[4]

Zitate

Zitat: «Was wird von der Sexismus-Debatte bleiben? Nach meiner Prognose so gut wie gar nichts. Diese so genannten "gesellschaftlichen Diskussionen" folgen immer demselben Muster. Es gibt irgendeinen wichtigen oder weniger wichtigen Anlass. Dann gibt es zum Thema für drei oder vier Wochen Artikel und Kommentare und Interviews in den Zeitungen und Zeitschriften, und es gibt etwa ein Dutzend Talkshows, wo Leute einfach einmal darüber reden. Neuerdings springen auch die Nutzer sozialer Medien auf den Zug auf und die so genannte "öffentliche Meinung" tobt sich dann für einige Wochen aus, bis wir wieder zur gesellschaftlichen Normalität zurückkehren. Vier Wochen später wissen die Menschen gar nicht mehr, worum es eigentlich ging, oder sie wissen es nur noch schemenhaft.»[5]
Zitat: «Ich bin mir sicher, dass sich das Verhältnis von Männern und Frauen wegen dieser Debatte nicht grundlegend ändern wird. Die Demographie-Debatte in Deutschland hat nicht dazu geführt, dass mehr Kinder geboren werden, die Sarrazin-Debatte hat nicht dazu geführt, dass es weniger Einwanderung gibt, die Antisemitismus-Debatte hat nicht dazu geführt, dass die Israelkritik differenzierter geworden ist. Die Diskussion wird nicht dazu führen, dass Männer in Zukunft nicht mehr mit Frauen in einen Fahrstuhl steigen und Frauen seltener Absatzschuhe tragen, dass die Anmachsprüche in Bars gehaltvoller werden und sich das prozentuale Verhältnis von Machos zu Emanzen verschieben wird. Auch die Titelbilder des Stern werden in Zukunft mit Brüsten und Hinterteilen illustriert sein, so als wäre nie etwas gewesen.»[5]
Zitat: «In der staatlichen Ehe werden Verpflichtungen eingegangen, deren Rechtsbasis aus politischen Gründen jederzeit revidiert werden kann und in der Vergangenheit massiv revidiert worden sind.

Es gibt kaum eine wichtigere Entscheidung im Leben eines Menschen als eine Ehe zuschließen und es gibt kaum einen Bereich, in dem man sich so bedingungslos in die Hände der Gesellschafts­politik begibt, wie in diesem. Ganze Lebens­planungen können mit einem Federstrich revidiert oder Verpflichtungen geschaffen werden, denen man niemals zugestimmt hat.»[6]

Zitat: «Das Bewusstsein bestimmt das Sein. Das ist die Grundannahme des herrschenden Diskurses in der Bundesrepublik. Journalisten, Intellektuelle, Politiker, Pädagogen und Lehrer sehen sich in der besonderen Pflicht, Bewusstsein zu schaffen. Bewusstsein für Umwelt­zerstörung, Rassismus, soziale Ungerechtigkeit, Diskriminierung und vieles mehr. (...) Dieser naive gesell­schafts­theoretische Idealismus hat drastische Folgen für den Stellenwert der Meinungsfreiheit. Es wird umso intoleranter auf andere Meinungen reagiert, je stärker jemand von der realen Wirkung von Meinungs­äußerungen ausgeht. Wenn man daran glaubt, dass allein die Wirksamkeit bestimmter öffentlich geäußerter Meinungen für die Probleme der Gesellschaft verantwortlich ist, dann ist der Schritt zu der Überzeugung, dass man diese Meinungen bekämpfen und unterbinden muss, ein sehr kleiner. Wer wirklich davon ausgeht, dass die Welt nur gerettet werden kann, wenn alle an die Erderwärmung glauben, für den ist jeder Kritiker, der seine Meinung öffentlich kundtut, nicht nur ein intellektueller Gegner, sondern der Feind der ganzen Menschheit.»[7]
Zitat: «Bevölkerungswachstum ohne Wirtschafts­wachstum legt die Lunte an die Stabilität jedes Regimes. Revolutionen werden von jungen Leuten losgetreten. Je mehr junge, unbeschäftigte, arme und frustrierte Leute es gibt, desto größer ist die politische Detonation, wenn der Sprengsatz explodiert. Deshalb haben die Nachfolger Maos in China auf die Ein-Kind-Politik und die Liberalisierung der Wirtschaft gesetzt und die Machthaber im Iran taten es auch - denn sie wollten nicht enden wie der gestürzte Schah vor ihnen. Vom Ende der 1980er Jahre an propagierten sie, dass Verhütung und Geburtenplanung mit dem Islam vereinbar sei, und nach der Jahr­tausend­wende begannen sie mit der Reprivatisierung der Wirtschaft. Die Geburtenrate im Iran liegt heute mit 1,7 unter der der USA, Tendenz weiter fallend.»&[8]
Zitat: «Die Zahl der intellektuellen Bewunderer der Sowjetunion und auch Stalins war in den zwanziger und dreißiger Jahren groß. Die Sowjetunion schien ein einmaliges Experiment zu sein, in dem versucht wurde, die Idee der Gleichheit und der klassenlosen Gesellschaft durchzusetzen. Als Stalin später diskreditiert wurde, blieb der Mythos erhalten, dies sei eine Abweichung von einem eigentlich guten Ansatz gewesen. Doch die kommunistische Herrschaft in Russland beruhte von Beginn an auf einem Regime der Gewalt, das sich nicht wegen seines überzeugenden Programms, sondern wegen seiner Brutalität durchsetzte.»[9]
Zitat: «Man hat sich nnach der Revolution des Ayatolla Khomeini[wp] im Iran daran gewöhnt, alle Ereignisse, die den Nahen- und Mittleren Osten betreffen, als religiöse Phänomene zu deuten. Dies entspricht der Deutung der politischen Protagonisten, die darum bemüht sind, ihre sehr weltlichen macht­politischen Motive religiös zu bemänteln. Die Beweggründe für die so genannte Islamische Revolution[wp] im Iran lagen nicht allein, ja: nicht einmal in der Hauptsache, in der Religion begründet, sondern vor allem im dem gemeinsamen Bestreben unterschiedlicher sozialer Gruppierungen, die Machtverteilung zu ihren Gunsten zu verändern. Diese Aktivitäten konnten wirksam werden, weil es Ayatolla Khomeini gelang, die unterschiedlichen Interessen hinter einem Banner zu vereinen und seinem persönlichen Ehrgeiz dienstbar zu machen.

In der Geschichte ist eine politische Gruppierung allein selten in der Lage gewesen, einen Umsturz zu erreichen. Macht bezeichnet deshalb vor allem die Fähigkeit, Allianzen zwischen verschiedenen politischen und sozialen Gruppen zu schmieden und Widersprüche innerhalb dieser Allianzen zu überwinden beziehungsweise durch einen geschickten ideologischen Diskurs zu verdecken. Die Führung tritt derjenige an, der in seiner Weltanschauung, Rhetorik und Konzeption flexibel genug ist, den verschiedenen Gruppen entgegenzukommen und sie in sein Bündnis einzubeziehen. Genau das gelang Ayatolla Khomeini.»[10]

Zitat: «Der Bankier und Historiker Ehrhardt Bödecker[wp] unterstreicht in einem Beitrag für "The European", dass die Rückführung des Staatsanteils das Hauptziel der Konsolidierungs­politik sein muss. Bödecker schreibt: "Der deutsche Staatsanteil beträgt ca. 45 Prozent und zeigt nicht die geringste Tendenz zum Sinken. Würde die Regierung den Staatsanteil auf 30 Prozent senken, ergäbe sich damit ein Sparpotenzial von rund 300 Milliarden Euro und nicht nur von zehn Milliarden Euro. Bei einer gesamten öffentlichen Verschuldung von ca. 1,7 Billionen Euro (die erheblichen Pensions­ver­pflichtungen gegenüber den Beamten nicht eingerechnet) reden die Politiker ernsthaft bei einem Betrag von zehn Milliarden Euro von Einsparung! Über diese Summe wird ein Fernseh­rummel entfacht, der nicht nur lächerlich, sondern angesichts der Höhe der Verschuldung auch völlig unzureichend ist."»[11]
Zitat: «Bis zum 20. Jahrhundert war der wichtigste Grund, warum sich die Staaten in Schulden stürzten, der Krieg. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde dieser vom Wohlfahrtsstaat als wichtigsten Ausgaben­faktor abgelöst. Die Höhe der Kredite, die in früheren Jahrhunderten zur Finanzierung der militärischen Unternehmungen aufgenommen wurde, ist mit der Schuldenlast, die besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Ausbau des Wohlfahrts­staates verwendet wurde, vergleichbar.

In dem so genannten "zweiten hundert­jährigen Krieg"[wp] zwischen England und Frankreich (1688-1815) um die Hegemonie auf dem Kontinent und die Herrschaft über Indien und Nordamerika wuchsen die britischen Schulden auf 215 Prozent des Volks­einkommens im Jahr 1815 an. In den Jahren nach dem Sieg über Napoleon[wp] erreichte die Verschuldung mit 268 Prozent seinen Höhepunkt. Die Unermesslichkeit der englischen Staats­verschuldung wurde geradezu sprichwörtlich. So schrieb 1816 der Sekretär Leopolds von Sachsen-Coburg über dessen Ehefrau, sie bringe ihrem Ehemann eine Liebe entgegen, deren "Größe nur mit jener der englischen Staatsschuld vergleichbar ist."»[12]

Zitat: «Die meisten Menschen haben keinen Einfluss auf den Gang der Geschichte. Einige haben etwas Einfluss auf den Gang der Geschichte, und wenige verändern den Lauf der Geschichte. Von den britischen Premier­ministern des 20. Jahrhunderts wird man sich in hundert Jahren wohl nur an drei erinnern: An David Lloyd George[wp], an Winston Churchill[wp] und an Margaret Thatcher[wp]. Es gehört zu den Ironien der europäischen Nachkriegs­geschichte, dass die erste Frau, die eine westliche Demokratie anführte, eine Konservative war, deren ideelles Fundament nicht in der modernen Frauenbewegung, sondern in den Moral­vorstellungen des Viktorianischen Zeitalters[wp] lag. (Auch das hat die Linke ihr nie verziehen) [...]

Es ist nicht schwer, Fehler und Versäumnisse der Thatcher-Jahre aufzulisten. Doch solche Auflistungen haben etwas Irreales. Thatcher war ohne Zweifel, was Intelligenz, Nerven­stärke, Arbeits­einsatz, und Durch­setzungs­fähigkeit anging, eine heraus­ragende Figur der politischen Nachkriegs­landschaft. Im Europa der Nach­kriegs­zeit findet man ähnliche Qualitäten wohl nur bei De Gaulle[wp] und Adenauer[wp], aber beide waren keine überzeugten Markt­wirt­schaftler, sondern reine Macht­politiker. Um das Land zu reformieren, ging Thatcher bis an die Grenze ihrer eigenen psychischen und physischen Leistung]]s­fähigkeit. [...]

Thatcher Kritiker haben natürlich mit vielen ihrer Vorwürfe recht. Thatcher war eitel und selbstverliebt, chauvinistisch, rechthaberisch und leidenschaftliche Gegnerin der Wiedervereinigung (was schon leicht paranoide Züge annahm). Aber trotz allem ist sie die bedeutendste Frau des 20. Jahrhunderts.»[13]

Zitat: «Der Liberalismus ist eine der großen geistigen und politischen Strömungen der Neuzeit neben Sozialismus, Nationalismus und Konservatismus. [...]

Sozialismus und Liberalismus haben deshalb in der Regel dasselbe Spielfeld, eben die politische Ökonomie, aber sie spielen in unter­schiedlichen Richtungen - das heißt ihre Antworten auf die soziale Frage sind diametral entgegen­gesetzt: Der Sozialismus setzt auf Planung und Verteilung. Der Liberalismus auf individuelle Entscheidungen und freie Märkte. Es besteht ebenfalls eine Parallele zwischen Sozialismus und Liberalismus und unterscheidet beide vom Konservatismus in der Hinsicht, dass sich beide nicht auf Tradition und Glauben stützen, sondern rationale Begründungen und universell gültige Argumente für ihren Standpunkt in Anspruch nehmen. [...]

Die liberale Position auf einer Reihe einfacher ethischer Grundprinzipien aufgebaut ist wie zum Beispiel Selbstbesitz, Eigentumsrecht[wp], Vertragsfreiheit, Meinungs-, Gewissens- und Glaubens­freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz[14]

Zitat: «Geschlechter kann man nicht gleichstellen, ebenso wenig wie Klassen, Rassen, oder Religionen. Man kann nur Individuen gleichstellen. Wenn Individuen vor dem Recht gleich sind, also für alle dieselben Gesetze gelten, dann ist die Gleichstellung erreicht.»[15]
Zitat: «Wie sehr diese landläufige historische Interpretation der Weltwirtschaftskrise[wp] und der angeblichen wirtschafts­politischen Erfolge des Nationalsozialismus für die Politik der Staats­verschuldung und Konjunktur­politik der siebziger Jahre Pate stand, zeigt ein Interview mit Helmut Schmidt aus dem Jahr 1976. In seinen Ausführungen bezog sich Schmidt auf die Welt­wirtschafts­krise. Nur Franklin Roosevelt[wp] und Hjalmar Schacht[wp], Hitlers Reichs­bank­präsident und Wirtschafts­minister, hätten, ohne Keynes[wp] zu kennen, damals das Richtige getan. Schmidt verglich hingegen die damaligen Forderungen der Unions­parteien, die Staats­ausgaben zurück­zuführen, mit der Politik von Reichskanzler Heinrich Brüning[wp]. Schmidt stellte dem­gegenüber sein eigenes, richtiges Handeln heraus: Die Bundesregierung habe Frankreich, die Benelux-Staaten und die USA von konservativen Sparkonzepten abgebracht und dadurch eine Welt­wirtschafts­krise verhindert. Die Schmähung Brünings und der Mythos vom national­sozialistischen Wirtschafts­wunder gaben also dem Weg in die Staats­verschuldung eine historische Rechtfertigung.»[16]
Zitat: «Durch Aufrüstung, Kriege und Kreditausweitung wird die Produktions­struktur eines Landes nachhaltig verkorkst. Gut ausgebildete und motivierte Arbeitskräfte gehen in einen Bereich, in dem keine Konsumgüter produziert werden oder Maschinen für die Produktion von Konsumgütern: Flugzeugträger, Aufklärungs­satelliten, gepanzerte Wagen usw. erhöhen den Wohlstand des Einzelnen nicht. Die Arbeitszeit und die Materialien, die zu ihrer Herstellung verwendet werden, gehen der Konsum­güter­produktion verloren. Das Lohn- und Preisgefüge wird verzerrt, und in einem Verdrängungs­prozess treten Rüstungs­schmieden an die Stelle von zivilen Maschinen- und Anlage­bauern. Die Konsum­güter­produktion ist damit weniger wett­bewerbs­fähig. [...]

Man muss nur einmal auf einer Rüstungsmesse den genialen Erfindungs­reichtum der Techniker und Ingenieure, die in die Entwicklung von Drohnen, Kampf­robotern und unbemannten Flugzeugen eingeflossen sind, betrachten, um zu ermessen, welches Potential aus dem zivilen in den militärischen Bereich abgewandert ist. [...]

Es ist leicht, über den Sturz Saddam Husseins[wp] Genugtuung zu empfinden, doch wenn die Rechnung auf dem Steuerbescheid präsentiert wird, dann ist die Genugtuung darüber schon weniger groß. Dass der "Kampf gegen den Terror" so populär war, lag eben auch daran, dass die US-Bürger die Kosten erst einmal nicht direkt bezahlen mussten, sondern diese Politik mit Staats­schulden und gedrucktem Geld bezahlt wurde. Insoweit war die Niedrig­zins­politik der US-Zentralbank keine spezielle Gemeinheit der US-Finanzeliten, sondern dies entspricht einem bekannten historischen Muster: dem Prinzip der versteckten Kriegssteuer. [...]

Präsident Richard Nixons[wp] Aufkündigung des Goldstandards und das Scheitern von Bretton Woods[wp] stehen in einer direkten Beziehung zu den Kosten des Vietnamkriegs. Es gibt eben kaum eine Aktivität, die so teuer ist wie ein Krieg. Soldaten müssen untergebracht, gekleidet und bezahlt werden. Jede Granate kostet Geld, ein Panzer kostet ein Vermögen, ein Flugzeug gleich mehrere. Steuer­erhöhungen unterminieren den "nationalen Konsens", der heute notwendiger ist denn je, um Militär­aktionen vor der Öffentlichkeit rechtfertigen zu können. Die Erhebung einer verdeckten Kriegssteuer durch gedrucktes Geld erscheint deshalb als die Lösung, die den Kriegskonsens am wenigsten gefährdet. [...]

Die Flotten, die Flugzeuge, die Stützpunkte, die Satelliten, der CIA, der NSA, die ganzen andern Geheimdienste, Behörden, die Kasernen, Luftstütz­punkte, die Verwaltung und die Verwaltung der Verwaltung - das kostet alles Geld, bindet Kräfte, die in den Bereichen der Wirtschaft fehlen, in denen eigentlich der Überschuss für die Finanzierung der Landes­verteidigung erwirtschaftet werden müsste. Da dieser Überschuss aber nicht mehr ausreicht, muss der fehlende Teil durch Staatsschulden finanziert werden. Die USA wird oft als Imperium bezeichnet, aber als solches steht es auf finanziell sehr tönernen Füßen. Großbritannien war, als es noch ein Viertel der Welt beherrschte, ein Kapital­exporteur. Also lieh es anderen Ländern Geld und lebte von den Zinsen. Die Zahlung der Zins­ver­pflichtungen wurde im Notfall mit Kanonen­booten oder sogar mit militärischer Besetzung gesichert, aber auf jeden Fall war Großbritannien ein Kreditgeber. Die USA ist ein Kreditnehmer.

Dass das überhaupt solange funktioniert hat, lag daran, dass der Dollar Leitwährung ist und dies den USA erlaubte, sich in ihrer eigenen Währung zu verschulden. Die US-Währung ist die Weltwährung, weil das Öl in Dollar abgerechnet wird. Das Öl wird in Dollar abgerechnet, weil die USA eine weltweite militärische Präsenz zeigen. Die weltweite militärische Präsenz kostet so viel Geld, dass sich die USA verschulden müssen, was nur funktioniert, weil sie über die Weltwährung verfügen, in der das Öl abgerechnet wird. Am Ende kommt bei dieser Betrachtung heraus, dass die USA militärisch präsent sein müssen, um ihre militärische Präsenz finanzieren zu können. [...]

Zur Zeit von Ludwig XIV, Friedrich und Katharina der Großen konnten sich Kriege lohnen. Die Herrscher marschierten in schöner Parade­ordnung in ein Gebiet ein und mit strategischem Können und etwas Glück konnten sie sich später in einem Friedensvertrag dieses Gelände ganz oder teilweise sichern. Das hieß dann in Zukunft zusätzliche Einnahmen in Form zusätzlicher Steuern. Heute, im Zeitalter des Low Intensity War, hört der Krieg nicht auf, wenn man ein Gelände besetzt hat, sondern er geht immer weiter. Man kann die Truppen­präsenz nicht abbauen, sondern muss ständig Truppen im Einsatz halten und das heißt auch finanziell unterhalten. Weil diese Gebiete unsicher sind, will niemand dort investieren, das heißt, um das Land zu stabilisieren, genügt es nicht, die Truppen zu bezahlen, sondern man muss die gesamte Gesellschaft am Tropf halten. Das wird zu einem Einsatz ohne Ende und zu einem Fass ohne Boden.

Genau aus diesem Grund haben die alten Kolonialmächte, England und Frankreich, nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Koffer gepackt und haben die Kolonien in die Unabhängigkeit entlassen. Der wirtschaftliche Nutzen der Kolonien stand in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zu den Kosten.»[17]

Zitat: «In Anlehnung an das Kommunistische Manifest von Marx und Engels könnte man sagen: Ein Zombie geht um in Europa, und dieser Zombie ist der Marxismus. Karl Marx[wp] und Friedrich Engels[wp] haben fast 100 Jahre lang das Denken und die Diskussionen der Linken geprägt. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa und der Sowjetunion verblasste der Glanz der einstigen Vordenker, doch seit der Finanzkrise hat der Marxismus wieder Popularität gewonnen. Doch das vermag nur wenig darüber hinweg­zutäuschen, dass selbst die sich links verortenden Parteien und Gruppierungen mit dem System Marx für ihre Programmatik und Praxis wenig anfangen können. Die eigentlichen praktischen Anknüpfungs­punkte der modernen westlichen Linken sind nicht Marx und Engels, sondern Bismarck[wp] und Keynes[wp].

Nach Marx weist der Kapitalismus einen Januskopf auf. Auf der einen Seite entfesselt der Kapitalismus eine ungeheure Dynamik der Produktions­kräfte. Auf der anderen Seite führe er zur Verelendung der Bevölkerungs­massen und zur Konzentration des Wohlstandes bei einer verschwindend geringen Minderheit von Kapitalisten. Diese beiden Elemente sind für seine Geschichts­philosophie unumgänglich. Wenn eine dieser Annahmen ausfällt, stürzt auch seine Geschichts­philosophie in sich zusammen. Ohne die Verelendung der Massen gibt es keine Revolution, und ohne die Entfesselung der Produktions­kräfte gibt es nach der Revolution nichts zu verteilen. Denn dass Wohlstand, der den Menschen im Kommunismus ein sorgen­freies Leben ermöglichen soll, nicht einfach vom Himmel fällt, sondern erst durch Steigerung der Produktivität hervorgebracht werden muss, das war ihm auch klar. Vielen Wachstums­kritikern ist das heute nicht mehr so klar.

Das heißt: Ohne Kapitalismus keinen Kommunismus. Das heißt auch, in der marxistischen Geschichts­philosophie haben letztlich weder Gewerkschaften noch der Sozialstaat eine nach­voll­ziehbare Funktion. Allenfalls können deren direkte Aktionen dazu beitragen, das System zu destabilisieren und den historisch notwendigen Prozess zu beschleunigen. Im schlechten Fall können sie diesen Prozess verzögern: Tarifverträge, Konjunktur­programme, Sozial­leistungen, Protektionismus sind aus orthodox-marxistischer Perspektive eigentlich nur lästige Verzögerungen auf dem Weg zum finalen Zustand der Geschichte. Nicht der Gewerkschaftler oder Sozialpolitiker ist der Wegbereiter der kommunistischen Gesellschaft, sondern der Kapitalist. Nur der Kapitalist kann die Welt so radikal transformieren, dass sie reif wird für das letzte Stadium der Geschichte, den Welt­kommunismus. Die Globalisierungs- und Wachstums­kritiker finden bei Marx keine Anknüpfungs­punkte. Marx war ein glühender Anhänger des Freihandels, heute würde man sagen: der Globalisierung.

Da im Laufe des 19. Jahrhunderts die von Marx vorausgesagte Verelendung nicht stattfand, sondern sich die Lebens­verhältnisse trotz massiven Bevölkerungs­zuwachses besserten, und noch mehr, weil dieser Ansatz real­politisch nicht durchzuhalten war, hat die Linke den Marxismus in seiner ursprünglichen Form heimlich, still und leise zu Grabe getragen. Mochte sie ihn auch wie eine Monstranz vor sich hertragen, die praktische Sozial- und Tarif­politik hatte damit wenig zu tun. Als die SPD sich 1959 im Godesberger Programm[wp] vom Marxismus verabschiedete, hat sie im Grunde einen Zombie beerdigt.»[18]

Zitat: «Die Religion bestimme aber darüber, so Goldman[wp], wie tief die Geburtenraten fallen, ob sie knapp über der Reproduktions­rate von 2,1 bleiben oder weit unter die Reproduktions­rate fallen. Der Ansatz, die Geburtenraten unterschiedlicher Bevölkerungen mit Unterschieden in deren Religiosität zu erklären, ist nicht neu. Dieser Erklärungs­ansatz, der durchaus plausibel zu sein scheint, stößt aber an empirische Grenzen. Es gibt Phänomene, die sich damit schwer erklären lassen.

Zwar sind innerhalb unserer Gesellschaft die Geburtenraten von Kirch­gängern höher als die von Nicht­kirch­gängern oder gar Atheisten. Aber im globalen Vergleich spiegelt sich das nicht wider. Das katholische Polen, Spanien und Italien gehören zu den geburten­schwächsten Ländern der Welt. Nicht einmal auf den Islam ist noch Verlass: Die Geburten­raten im Iran, in der Türkei, in Tunesien, Algerien und anderen muslimischen Staaten sind massiv eingebrochen. [...]

Ein türkischer Sarrazin könnte im Grunde das gleiche Buch nur mit anderem Titel schreiben, "Die Türkei schafft sich ab". Die Differenz in den Geburten­raten zwischen Türken und Kurden in der Türkei ist inzwischen wesentlich größer als die Differenz zwischen den Geburten­raten von Deutschen und Einwanderern in der Bundesrepublik. Pro Frau liegen die Reproduktions­raten der türkischen Bevölkerung in der Türkei bei 1,5 Kindern, die Geburtenrate einer kurdischen Frau liegt im Schnitt bei vier Kindern.»[19]

Veröffentlichungen

Ökonomie der Sexualität (2014)
  • Ökonomie der Sexualität. Von der Liebesheirat bis zur Sexarbeit., FinanzBuch Verlag 2014, ISBN 3-89879-881-X
  • Das Ende des Wirtschaftswunders. Geschichte der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Bundesrepublik 1969 - 1998., Lucius & Lucius 2010, ISBN 3-8282-0516-X

Artikel

Interview

Einzelnachweise

  1. Friedrich-Naumann-Stiftung: Dr. Gérard Bökenkamp
  2. The Huffington Post: Dr. Gérard Bökenkamp
  3. The European: Gérard Bökenkamp
  4. Die Freie Welt: Dr. Gérard Bökenkamp
  5. 5,0 5,1 Was bleibt von der Sexismus-Debatte?, Die Freie Welt am 2. Februar 2013
  6. Scheidungsrecht: Heiratsverträge als Alternative, Die Freie Welt am 6. Dezember 2012 (Solidität[wp] hat etwas mit Verlässlichkeit zu tun, mit der Verlässlichkeit, dass die Regeln mit denen man Abends einschläft, auch noch gelten, wenn man morgens aufwacht. Wer aber heute nach bestimmten Regeln heiratet, weiß nicht, nach welchen Regeln er morgen geschieden wird.)
  7. Gérard Bökenkamp: Vom Marxismus zum Idealismus: Die Crux der Bewusstseinspolitik (Über Moralismus und Meinungsfreiheit), ef-magazin am 29. September 2010
  8. Das fundamentalistische Dilemma, Liberales Institut am 6. August 2013
  9. Stalins Kult der Gewalt, Liberales Institut am 16. März 2012
  10. Die Islamische Revolution von 1979: George Orwells "Farm der Tiere" auf persisch (Khomeinis geschickte Bündnispolitik brachte ihn an die Macht), 29. Juni 2009
  11. Staatsausgaben und Sparpolitik: In den Himmel wachsen und auf Granit beißen (Selbst ein 300-Milliarden-Sparpaket brächte nicht den Minimalstaat), ef-magazin am 9. Juni 2010
  12. Staatsbankrotte sind nicht außergewöhnlich: Aderlass, schlechte Münzen und Kanonenboote (Ein historischer Rückblick auf Staats­pleiten und Geld­entwertung), ef-magazin am 7. Mai 2010
  13. Margaret Thatcher wird 85: Die bedeutendste Frau des 20 Jahrhunderts (Anmerkungen zur Eisernen Lady), ef-magazin am 13. Oktober 2010
  14. Klassischer Liberalismus: Selbstbesitz und Vertragsfreiheit (Rede über die Grundpositionen des historischen Liberalismus), ef-magazin am 25. Oktober 2010
  15. Frauenpolitik in der Kollektivismusfalle: Jeder ist seines Glückes Schmied (Warum es keinen Geschlechterkampf gibt), ef-magazin am 13. Februar 2011
  16. Heinrich Brüning, der Geschmähte: Der Mythos vom nationalsozialistischen Wirtschaftswunder (Über den Wirtschaftsaufschwung 1932/1933 ohne Keynes und Hitler), ef-magazin am 23. Mai 2011
  17. George W. Bushs Kriegs-Keynesianismus: Rüstung macht ein Land nicht reich, ef-magazin am 17. September 2011
  18. Revolution als Folklore: Ein Zombie geht um in Europa (Marx ist tot, Keynes lebt), ef-magazin am 18. Juli 2013
  19. Rezension: Theopolitik und Geburtenrückgang, ef-magazin am 5. Mai 2014

Netzverweise